■ Das Portrait
: Arzu Toker

Zurückhaltung? Bei einer Rundfunkrätin? Das wäre nach Arzu Tokers Ansicht vollkommen falsch. Sie vertritt als einzige türkische Rundfunkrätin im Westdeutschen Rundfunk die Interessen ausländischer HörerInnen, und entsprechend lang ist die Liste der Forderungen, die die 42jährige in ihrer sechsjährigen Amtszeit bisher erhoben hat. Darunter die Forderung nach ausländischen RedakteurInnen für alle Redaktionen, nach einem Multikulti-Funk auch im WDR – und nach der Abschaffung von deutschen Ausländerbeauftragten in den Rundfunkanstalten: „Es wird doch auch kein Mann Frauenbeauftragter.“

Arzu Toker erwartet immer viel – auch von sich selbst. „Bildung war mein einziger Ausweg aus dem Leben als Arbeiterin“, sagt sie. Nach einer kurzen Schulzeit in Deutschland hatte sie Näherin in der Türkei gelernt. Dann wurde sie Sekretärin, schließlich gelang der Aufstieg zur Leiterin eines deutschen Firmenbüros in Istanbul. Von dort ging es wieder nach Deutschland, die Dolmetscherinnen-Prüfung kam, und Arzu Toker begann Bücher zu schreiben. Nach praktischen Ratgebern für ausländische Frauen, die in deutschen Krankenhäusern Kinder bekamen, liegt nun ihr erDie RundfunkrätinFoto: WDR

ster Roman in der Schublade. Noch ist er unveröffentlicht, geschrieben hat sie ihn nachts – „über ein Mädchen, von dem alle glauben, sie sei schizophren“.

Tagsüber ist Arzu Toker schwer zu erreichen, mal bei Vorstandssitzungen der Heinrich-Böll-Stiftung, mal als Jury-Mitglied für den Civis-Preis, mal als Mitarbeiterin bei Media-Watch: „Gerechte Dritte-Welt-Berichterstattung heißt, ausländische AutorInnen nicht in Sackgassenfrequenzen abzuschieben. Daran, ob wir vertreten sind, kann man den Stand von Demokratie und Humanismus ablesen.“

Natürlich hat sie Feinde, „manche Leute laden mich nicht mehr ein“. Schönfärberei ist nicht Tokers Stil, wenn es um ihre Überzeugung geht, wird sie direkt: „Sie wollen Ausländer raushaben? Dann ziehen Sie doch Ihr T-Shirt aus. Baumwolle kommt nicht aus Deutschland.“ Abstrakter formuliert sie: „Die Zukunft gehört der Migration. Die wirft alle Denkstrukturen um.“ Dazu trägt sie bei, soviel sie kann – auch in der eigenen Gemeinde. „Meine Heimat heißt Ostanatolien“, betont Toker. Bei „Kurdistan“ wehrt sie ab. „Schließlich haben in diesem Gebiet viele Völker gelebt. Auch Armenier. Die wurden von den Kurden vertrieben.“ Eva Rhode