■ Haben wir den Jahrtausendwechsel verpaßt?
: Neue Zeitrechnung steht in Frage

München (epd/taz) – Wußten Sie das schon? Am 1. Januar 1995 könnte bereits das Jahr 2000 beginnen: Zu diesem Schluß sind jedenfalls Theologieprofessoren gekommen, die sich mit dem historischen Datum der Geburt Christi befassen. Die Forschungen der Wissenschaftler stellen die gesamte Zeitrechnung in Frage, die seit 1582, der umfassenden Kalenderreform des Papstes Gregor, auf dem Zeitpunkt der Geburt Christi fußt. Dabei ist das Grundproblem, das sich in diesem Zusammenhang stellt, ganz einfach: Ist das Jahr null überhaupt eingrenzbar?

Bereits in der Bibel sind unterschiedliche Sichtweisen angelegt: Der Evangelist Matthäus bringt Christi Geburt in Zusammenhang mit Herodes dem Großen. Matthäus schildert, wie Herodes aus Angst vor einem neuen König alle Kinder bis zu zwei Jahren töten läßt. Der historische Herodes der Große starb allerdings nach unserer Zeitrechnung bereits im Jahr vier vor Christus.

Eine andere zeitliche Einordnung ergibt sich aus dem berühmten Evangelium des Evangelisten Lukas: „Und es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt geschätzet würde“, beginnt das Weihnachtsevangelium. Historiker und Theologen sind sich nicht ganz einig, ob dieser Zensus wirklich stattgefunden hat, zeitlich müsse diese Erhebung aber im Jahr sechs nach Christus eingeordnet werden. Dazu kommt noch der „Stern von Bethlehem“: Nimmt man auch den biblischen Bericht von einer besonderen Sternenkonstellation zur damaligen Zeit ernst, so ist die Verwirrung komplett: Die „Sternenkonjunktion“ von Jupiter und Saturn, die hinter dem Bild vom „Stern von Bethlehem“ stehen könnte, berechnen die Astronomen schon auf das Jahr sieben vor Christus, schreibt der Theologe Jörg Zink in seinem Buch „Zwölf Nächte“.

Heinz-Wolfgang Kuhn, Professor für Neues Testament an der Münchener Theologischen Fakultät, winkt dagegn ab: Alle Theorien über das genaue Datum der Geburt Christi seien in das Reich der Spekulation zu verweisen. Auch der Neutestamentler Otto Hofius aus Tübingen verweigert eine Festlegung. Letztlich sei das doch unwichtig, meint er. Sein Tübinger Kollege, der Exeget Professor Martin Hengel, wird da schon etwas genauer: Die Verbindung mit Herodes dem Großen sei wohl als historisch anzunehmen. Lukas habe da „etwas durcheinandergebracht“, als er die Geburt Christi mit der Volkszählung in Verbindung brachte.

Das Ereignis der Weihnachtsnacht sei also mindestens um fünf Jahre vorzuverlegen.