Riesa: Gilt der Notwehrparagraph?

■ Zeugenaussagen zu tödlicher Schlägerei widersprüchlich

Berlin (taz) – Wer hat in der „Grillbar“ im sächsischen Riesa die tödliche Schlägerei provoziert? Gilt der Notwehrparagraph, wenn sich ein Linker bewußt zu einem Treffpunkt von Rechten begibt? Am vergangenen Samstag war Nino F., ein linker Jugendlicher aus Riesa, in der „Grillbar“ auf eine zehnköpfige Gruppe Rechter gestoßen. Bei der folgenden Auseinandersetzung erstach Nino F. den 17jährigen Rene W., genannt Waltze; zwei weitere Rechte verletzte er schwer. Nino F. wurde krankenhausreif geschlagen.

Die Zeugenaussagen über den Ablauf der Tat sind nach wie vor widersprüchlich. Die Mehrzahl der Rechten behauptet, es habe zunächst einen Kampf zwischen Nino F. und Rene W. gegeben. Erst nachdem Nino F. sein Opfer erstochen habe, sei der Rest der Gruppe über ihn hergefallen. Diese Angaben werden von der Wirtin der „Grillbar“ gestützt. Sie will gesehen haben, daß Nino F. die Rechten zuerst angegriffen hat.

Die SoKo Rex geht jedoch nach wie vor davon aus, daß Nino F. von einem Freund des Erstochenen provoziert worden ist. Gegen diesen wurde am Montag Haftbefehl erlassen. Rene W. habe sich in die Pöbelei eingemischt und Nino F. von hinten angefallen.

Auch die zuständige Staatsanwaltschaft Dresden nimmt an, daß Nino F. in Notwehr gehandelt hat. Allerdings müsse geklärt werden, was er in der „Grillbar“ gewollt habe. Die Jugendszene in Riesa ist stark polarisiert. Die „Grillbar“ gilt als rechter Treff. Wenn Nino F. wußte, daß er sich in rechtes Revier und damit in Gefahr begibt, gilt der Notwehrparagraph nur begrenzt. Oberstaatsanwalt Renz: „Es spielt eine Rolle, ob ich gezielt provozierend eine bestimmte Situation herbeiführe und mich in die Opferrolle begebe.“

Gegen Nino F. wird wegen Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt, gegen neun Rechte wegen schweren Landfriedensbruchs und schwerer Körperverletzung. Nach einem aus der Gruppe wird noch gefahndet. Bascha Mika