Ein kleiner Zipfel von der „Beutekunst“

■ Der Bremer Kunstverein gewinnt einen Musterprozeß in den USA – und hofft auf einen Präzedenzfall

Im zähen Gezerre um die Rückgabe von Kunstwerken, die im dem Zweiten Weltkrieg aus deutschen Sammlungen verschwunden sind, hat die Bremer Kunsthalle einen kleinen Zipfel ergattert. Drei Zeichnungen aus der Renaissance und dem Rokoko werden in drei bis vier Wochen von New York aus ihre Heimreise antreten – dann nämlich erwartet der Bremer Kunstverein das schriftliche Urteil zu einem Prozeß, der zu einem Präzendenzfall werden könnte (vgl. taz 14.1.). Darin hatte der Kunstverein, Träger der Bremer Kunsthalle, gegen einen russischen Emigranten geklagt, der die Zeichnungen im vergangenen Jahr mehreren New Yorker Kunsthändlern angeboten hatte. Sein Pech: Die Stempel der Kunsthalle prangen immer noch ordentlich auf der Rückseite der Blätter. Auf eine Gegenklage verzichtete der Mann denn auch gänzlich. Der Kunstverein hofft nun, daß die Geschichte über die Grenzen des Bundesstaates hinaus als Musterprozeß wirken möge.

Denn allein für die Bremer sind derzeit zwei weitere, ähnlich gelagerte Verfahren in den USA in der Schwebe. „Da ist dieser Prozeß ganz klar unser Testfall“, sagt Rudolf Blaum. Der ehemalige Vorsitzende des Kunstvereins treibt die Rückführung der Bremer Bilder – sei es aus den Staaten oder Rußland – seit Jahren über diverse Kanäle voran. Die New Yorker Entscheidung ist der erste Fall auf US-amerikanischem Boden, in dem eine deutschen Kunstinstitution Recht auf „Beutekunst“ zugesprochen bekommt. Die Hoffnung auf einen justiziablen Präzendenzfall will Blaum dennoch nicht allzu hoch hängen: Das Urteil hat zunächst nur Geltung für den Bundesstaat New York – und die Zivilgesetzgebung in den übrigen Staaten weicht davon teils stark ab.

„Wir gehen davon aus, daß sich die Gerichte in anderen Bundesstaaten an dem Urteil orientieren“, heißt es hingegen bei der „Koordinierungsstelle der Länder für die Rückführung von Kulturgütern“. Das Material dieses Prozesses soll in die „Beratungsrichtlinien für andere Länder“ einfließen, an denen die ebenfalls in Bremen ansässige Stelle derzeit arbeitet.

Direktere Wirkung aber könnte das Urteil auf dem „Grauen Markt“ zeitigen. Immerhin hatte sich auch das FBI auf Betreiben der Bremer eingeschaltet und die drei Zeichnungen kassiert. Das könnte Eindruck machen, hofft Blaum: „Wir werden nun vorsichtig versuchen, diesen Brüdern zu sagen: Die Zeiten, in denen ihr glaubtet, uns erpressen zu können, sind nun endgültig vorbei.“ Zuletzt habe ein ebenfalls russischer Emigrant den Bremern Bilder sogar zum Rücckauf angeboten, „für einige -zigtausend Dollar“ – Werke, die der Kunstverein als sein Eigentum identifiziert habe. „Das ist ganz simple Hehlerware, dafür bezahlen wir doch nicht auch noch.“

Positiv könne sich das Urteil schließlich auch auf das Verhältnis der deutschen Dauerkläger zu den Auktionshäusern Sotheby's und Christie's auswirken. Jahrelang hätten die Deutschen diese darauf gedrängt, den Ankauf vermutlicher Kriegsbeute abzulehnen und den US-Behörden zu melden. „Jetzt haben wir wirklich einen Gerichtstitel“, sagt Blaum, „und können beweisen, daß wir Recht haben.“ Wenn die weltweiten Filialen der Auktionshäuser künftig kein Diebesgut mehr annehmen, „wird das abschreckende Wirkung auf den Markt haben“.

Noch aber haben die Bremer das Urteil nicht mal in den Händen. Es wird sie letztlich teuer zu stehen kommen. Blaum räumt ein, daß der Aufwand in keinem Verhältnis zum künstlerischen Wert der drei Blätter stehe: „Wir haben den Prozeß nur geführt in der Hoffnung auf einen Präzedenzfall.“ Und da brauche man „unter 50.000 Mark für Anwaltskosten gar nicht erst anzufangen“. Eine Summe, die nicht jede der gebeutelten Kunstinstitutionen zu zahlen bereit und in der Lage ist. Zumal das Geld in jedem Fall verloren ist: Am Zivilgericht gibt es in den USA für solche Fälle keinen Anspruch auf Kostenerstattung – selbst, wenn der Prozeß den Klägern recht gibt. tw