„Ich hab ja nur meine Zigarette“

■ Bremer Institut für Sozialmedizin belegt, daß arme Frauen mehr rauchen

Arme Frauen essen ungesünder, bewegen sich weniger und rauchen mehr. Soviel zu dem Ergebnis einer Weltgesundheitsstudie zum Thema „Frauen und Rauchen“. Diese Studie ist schon einige Jahre alt, neu ist eine Untersuchung, die das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS) vor kurzem abgeschlossen hat. Die Soziologin Ulrike Maschewsky-Schneider wollte genauer wissen, welche deutschen Frauen aus welchem sozialen Milieu warum zur Zigarette greifen. Die Ergebnisse liegen jetzt vor.

Auffallend ist dabei, daß vor allem bei den 25- bis 40-jährigen Frauen soziale Armut und Rauchen direkt proportional einhergehen. Die Sozialhilfeempfängerin raucht hier wesentlich mehr als die Akademikerin. Das ist bei älteren Frauen ab Fünfzig nicht so. Die rauchen sowieso weniger, viele von ihnen haben aufgehört. Vorausgesetzt, ihre Lebensumstände sind entsprechend, denn für die meisten ärmeren Frauen ist die Zigarette eine Stütze, von der sie sich weder lossagen wollen noch können. „,Ich hab ja sonst nichts', bekamen wir von vielen zu hören“, sagt Ulrike Maschewksy-Schneider. Da erstaunt es auch kaum, daß Frauen, die geschieden oder verwitwet sind, also eine Trennung erlebt haben, den Rauchrekord halten.

„Es hat ja nun wenig Sinn, hier zu moralisieren und diese Frauen vielleicht sogar noch mehr auszugrenzen“, meint die Soziologin. Sie hat selbst mal geraucht und hält nichts vom „blaming of the victim“, sondern fordert, daß in der Gesundheitsvorsorge mehr für die „Problemgruppen“ getan wird. Für ihre Untersuchung hat sie die Daten der letztjährigen bundesweiten Herz-Kreislauf-Studie genutzt, da hatte niemand bei den ärmeren Frauen genauer hingeschaut. Wie sieht die Familienbiographie der Frauen aus, welche Qualifikation haben sie, wie managen sie Beruf und Familie und ihre schwierige soziale Lage? „Wir müssen doch sehen, daß sich da soziale Ungerechtigkeiten festsetzen, wenn nichts passiert“, betont Ulrike Maschewsky-Schneider. „Das Risiko dieser Frauen, an Lungenkrebs zu sterben, ist etwa um 50 Prozent höher als das von Frauen aus besseren Schichten.“

„Prävention“ ist das Schlagwort der Soziologin. Und die fange man am besten bei den Mädchen an. „Da hat das Qualmen ja noch etwas Provokatives, sieht cool aus“, sagt Ulrike Maschewsky-Schneider, hier auch als Mutter. „Das brauchen die jungen Leute, genauso ein gewisses Risikoverhalten, aber vielleicht muß es ja nicht gerade etwas dermaßen Gesundheitsschädliches sein.“ Ihr ist vor allem die Zigarettenwerbung ein Dorn im Auge. Da kommen zwar Frauen so gut wie nicht vor, doch aus den Bildern von Abenteuer, Cowboys und Pferden einer bekannten, roten Sorte holen sich sozial benachteiligte junge Frauen ihre Wunschträume.

Haben sie erstmal angefangen, ist das erklärte Ziel, möglichst viele der Frauen vom Rauchen wegzubringen. Wichtiger und zunächst realistischer erscheint der Soziologin aber, die Frauen zum „selbstbestimmten Rauchen“ zu motivieren. Daneben brauchen die ärmeren Raucherinnen Bildungsangebote, materielle Unterstützung und spezielle Gesundheitszentren in ihren Stadtteilen; aber auch ÄrztInnen, Gesundheitsämter und Krankenkassen („vor allem die AOK!“) sind aufgerufen, mehr aufzuklären und Hilfe anzubieten. Bei dem gerade angelaufenen, EU-geförderten BIPS-Projekt „Schwangere und Frauen“ will Ulrike Maschewsky-Schneider Entwöhnungs-Gruppenkurse testen und mit einfachen, aber konkreten Tips arbeiten: „Zu Obst und Gemüse statt zur Zigarette greifen oder rausgehen. Das soziale Umfeld zum Reduzieren animieren. Da müssen sich dann eben alle zusammenreißen.“ sip