„An den Vorwürfen ist was dran“

Alice Schwarzer muß Hausverbot für den FrauenMediaTurm aufheben / Stadt Köln und Regierungspräsident überprüfen, ob „Emma“-Redaktion den Bayenturm mißbraucht  ■ Von Bascha Mika

Macht korrumpiert und verführt – ganz ohne den „kleinen Unterschied“. Dieser Verdacht taucht auf, wenn es um Alice Schwarzer und den FrauenMediaTurm in Köln geht. Seit Monaten werden häßliche Vorwürfe gegen Schwarzer und ihre Praktiken im MediaTurm erhoben – jetzt zeigen sich erste Konsequenzen aus der öffentlichen Debatte. Ein für den Turm verhängtes Hausverbot mußte zurückgenommen werden, Vertreter der Stadt Köln und des Regierungspräsidenten sahen sich zu einer Turmbegehung gezwungen, und auch die Hamburger Stiftungsaufsicht hat ihre Kontrollfunktion wahrgenommen.

Zur Vorgeschichte: Im Kölner Bayenturm, genannt FrauenMediaTurm, ist das „Feministische Archiv und Dokumentationszentrum“ untergebracht. Eine gemeinnützige Stiftung, die den von der Stadt Köln mit Millionenbeträgen restaurierten Bayenturm nutzen darf – im Rahmen eines Erbbaurechtvertrages, der eine gewerbliche Nutzung ausschließt und festlegt, daß der Turm der Öffentlichkeit zugänglich sein muß. Vorstandsvorsitzende der Stiftung ist Alice Schwarzer, Chefin der feministischen Zeitschrift Emma. Sie soll erstens – so die Vorwürfe – Teile der Emma-Redaktion im Turm einquartiert und dadurch Steuergelder für ihre kommerziellen Zwecke mißbraucht haben; zweitens durch langfristige Anmeldungen und andere Beschränkungen ForscherInnen den Zugang zum Archiv schwermachen und drittens die Verantwortung für die extrem hohe Fluktuation unter den Mitarbeiterinnen des Archivs tragen (die taz berichtete).

Als die Kölner Journalistin Marianne Lange diese Vorwürfe veröffentlichte, wurde sie von Schwarzer mit einem Turm-Hausverbot belegt. Durch den öffentlichen Ärger, den das Verbot provozierte, und auf Drängen der Stadt Köln mußte es aufgehoben werden. Seit vergangener Woche darf Lange den Turm wieder betreten. Nicht verzichtet hat Schwarzer allerdings auf juristische Schritte gegen Lange. Gegen den unliebsamen Artikel der Kollegin erwirkte sie eine Einstweilige Verfügung beim Hamburger Landgericht.

Harsche Disziplinierungsmaßnahmen auch nach innen: Als Anfang Dezember die Wogen in der Presse hochschlugen, schrieb der Vorstand in einer Dienstanweisung vom 6. und 7.12.1994 an die Archivmitarbeiterinnen: „Alle Post geht ab sofort direkt und ausnahmlos an Margitta Hösel (auch Briefe, die in Arbeitszusammenhängen direkt an einzelne Mitarbeiterinnen gerichtet sind).“ Und weiter: „Privatgespräche, Orts- wie Ferngespräche sind [...] ab jetzt bei Margitta Hösel anzumelden.“ Margitta Hösel ist Alice Schwarzers Assistentin.

Nach monatelangem Streit um den Turm sahen sich die Stadt Köln und der Regierungspräsident zu reagieren gezwungen (siehe Interview). Sie sind dafür verantwortlich, daß das im Turm verbaute öffentliche Geld nicht zweckentfremdet und der Nutzungsvertrag eingehalten wird. Dabei ziehen Stadt und RP nicht unbedingt am selben Strang: Der Regierungspräsident ist Kontrollinstanz für die Stadt und diese ist in der Regel wenig erbaut, wenn er sich einmischt.

Vertreter beider Behörden veranlaßten kürzlich eine Begehung. „Gespräche und intensives Nachsehen“ habe es gegeben, sagt Inge Schürmann, Pressereferentin der Stadt. Man habe allerdings nicht feststellen können, „daß dort eine gewerbliche Tätigkeit stattfindet“. Daß eine Etage vom „Förderverein FrauenMediaTurm“ genutzt wird – und die Gründungsmitglieder des Vereins bis auf eine Ausnahme Emma-Mitarbeiterinnen sind –, macht der Stadt keine Kopfschmerzen. Zwar hat der Förderverein eine eigene Klingel an der Außentür, doch bisher kein Bleiberecht im Turm; das soll aber, so Schürmann, demnächst „geregelt werden“. Im Klartext: Der Pachtvertrag wird nachgebessert, damit der Förderverein sogar mit dem Segen der Stadt im Bayenturm arbeiten kann. Auch die Stiftungsaufsicht in Hamburg, verantwortlich für Stiftungsgelder, hat sich in den Streit eingeschaltet. Erika Dieckmann, Leiterin der Behörde, fragte schriftlich nach, was ihm Bayenturm los sei. Dieckmann: „Der Reaktion des Vorstands ist zu entnehmen, daß die Stifung die Gelder ordnungsgemäß verwendet.“ Andere Anhaltspunkte gebe es zur Zeit nicht.

War der Verdacht also nur heiße Luft? Feministische Grabenkämpfe, wie UnterstützerInnen von Alice Schwarzer behaupten? „Jeder weiß, daß an diesen Vorwürfen etwas dran ist“, sagt Dorothee Reinhold, eine der zwölf Beirätinnen des feministischen Archivs. Bei der letzten Sitzung im Dezember sei Schwarzer von den Beiratsfrauen befragt worden. Dabei habe man sich allerdings weniger „um das, was bereits passiert ist, gekümmert“, als darum, „die Zukunft des Archivs zu sichern“. Alice Schwarzer weigert sich seit Wochen, öffentlich zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.