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■ Heute vor fünfzig Jahren erschien in Aachen die erste Zeitungsausgabe im befreiten Deutschland

Die Stunde Null der deutschen Nachkriegspresse schlug in Aachen. Am 24. Januar 1945, dreieinhalb Monate vor Kriegsende, erschien hier die erste Ausgabe der Aachener Nachrichten. Schon im Oktober 1944 war die Stadt von alliierten Truppen eingenommen worden. Anfang Dezember traf dann der Stab der „Division für Psychologische Kriegsführung“ ein. Wie der Schriftsteller Stefan Heym berichtet, selbst Mitglied dieser Einheit, ein buntgemischter Haufen von Journalisten, Literaten, Universitätsprofessoren und Germanistikstudenten, die unter der Leitung von Hans Habe in allen Städten Zeitungen und Rundfunksender aufbauen sollten.

Eigentlich hätte die „re-education“ per Zeitung bereits zu Weihnachten 1944 beginnen sollen. Doch dann kam die sogenannte Ardennenschlacht, eine überraschende Entlastungsoffensive der Deutschen, deren Panzer noch ein letztes Mal Richtung Kanalküste vorrückten. Nachdem die Offensive zusammengebrochen war, setzten die Presseoffiziere ihre Arbeit wieder fort.

Eine Zeitung von Deutschen für Deutsche sollte es sein. Da der frühere Verleger der Lokalzeitung NSdAP-Mitglied gewesen war, wählte man als Lizenzträger Heinrich Hollands aus, einen 68jährigen Druckermeister, der bei einem SPD-Blatt gearbeitet hatte.

Mit dabei war auch Otto Pesch, der im Juli 1944 als Schwerbeschädigter aus dem Krieg gekommen war. Der damals 27jährige erinnert sich, daß um den 15. herum eine erste Nullnummer hergestellt wurde. Doch die – niemand Fremdes durfte sie anschauen – verschwand auf ziemlich mysteriöse Weise. Sie war als Muster für die Stäbe in London, Paris und Washington bestimmt. Erst als von dort grünes Licht kam, machte sich Pesch zusammen mit zwei Presseoffizieren an die Arbeit. Am 24. Januar 1944 war es dann soweit: Unter dem Namen Aachener Nachrichten erschien die erste deutsche Zeitung unter alliierter Kontrolle.

Das Blatt hatte nur vier Seiten, kam zunächst wöchentlich heraus, kostete 20 Pfennig und trug den Untertitel „Publikationsorgan für den Regierungsbezirk Aachen“. Auffällig nicht nur an der ersten Nummer war das Fehlen jeglicher Autorennamen. Damit, so der heutige Chefredakteur Dieter Mätschke, sollten die Schreiber geschützt werden. Das war durchaus sinnvoll, denn die Front verlief bei Düren, nur 30 Kilometer entfernt, und die Medien in Köln, ob Westdeutscher Beobachter oder der Kölner Reichssender, wetterten noch gegen die „jüdischen Schreibsöldlinge“.

In erster Linie mußten die Mitteilungen der Militärregierung abgedruckt werden, aber es stand auch ein Pressedienst namens „News File“ zur Verfügung. Die aus London gemorsten Texte konnten zwar gekürzt, sogar bis auf einen Satz zuammengestrichen werden, nur umgeschrieben werden durften sie nicht. Andernfalls, so befürchteten die Militärs, könnten verschlüsselte Informationen weitergegeben werden. Aus dem gleichen Grund wurden auch alle Kleinanzeigen – zumeist Such- oder Tauschanzeigen – von den Amerikanern umgeschrieben. Daß diese Angst nicht unbegründet war, zeigt der Fall Franz Oppenhoff. Der von den Alliierten eingesetzte Oberbürgermeister wurde vor seinem Haus ermordet – wahrscheinlich von einem SS-Killerkommando.

Immerhin durfte Otto Pesch, der Redakteur der ersten Stunde, die lokalen Meldungen selbst schreiben. An politische Kommentare war allerdings nicht zu denken, noch weniger kam Kritik an der Militärregierung in Frage. Eine doppelte Zensur sorgte dafür, daß alle Direktiven eingehalten wurden, wobei die Vorzensur bereits mit der siebten Nummer abgeschafft wurde.

Die erste Ausgabe mit ihren 12.000 Exemplaren war schnell vergriffen, von der zweiten wurden bereits 19.000 Exemplare gedruckt. Doch noch war der Papiervorrat begrenzt, und erst mit dem Vorrücken der Front stand dann so viel Papier zur Verfügung, daß ab Mitte Februar die Aachener Nachrichten zweimal wöchentlich erscheinen konnten.

Zu einem historischen Dokument wurde die 16. Ausgabe: als einzige deutsche Zeitung konnte das Blatt das Ende des Krieges vermelden. Otto Pohl erinnert sich, daß zur bevorstehenden Kapitulation eine Sonderausgabe erscheinen sollte. Doch nach zwei Tagen vergeblichem Warten „wurden alle nach Hause geschickt“. Als Pohl dort ankam, empfing ihn seine Frau, die im Rundfunk Nachrichten gehört hatte, mit den Worten: „Otto, der Krieg ist aus.“ Der Satz wurde (unter Weglassung des Vornamens) zur ersten Nachkriegsschlagzeile Deutschlands, und noch Jahre später führte man sie den Volontären als Beispiel für prägnanten Journalismus vor.

Das pressegeschichtlich bedeutsamste Datum ist aber zweifellos der 27. Juni 1945, denn an diesem Tag unterzeichnete der Brigadegeneral McClure die „License No. 1“: Damit ging die erste Nachkriegszeitung Deutschlands in die Hände von Heinrich Hollands über. Karl-Heinz Stamm