■ Mit Papierproduktion auf du und du
: Schmutziges Weiß

Berlin (taz) – Die Deutschen lieben nicht nur Wald und Bäume, sondern auch Papier. Mehr als ein Pfund verbrauchen sie im Durchschnitt jeden Tag – in Form von Müsliverpackungen, Zeitungen, Computerausdrucken, Fotokopien und Strafzetteln. Anfang der 50er Jahre konsumierte jeder Michel und jede Anna nur ein Sechstel dieser Menge. Zwar ist die Pro- Kopf-Menge in letzter Zeit rezessionsbedingt leicht zurückgegangen und die Altpapierquote hat zugenommen – sie liegt inzwischen bei 54 Prozent und damit im europäischen Mittelfeld. Aber vieles spricht dafür, daß schon in diesem Jahr die benötigte Rohstoffmenge erneut zunimmt.

Die meisten Bäume, die für die deutsche Papierliebe abgeholzt werden, stehen nicht im vielbesungenen heimischen Wald. 3,5 Millionen Tonnen Zellstoff wurden 1993 eingeführt, nur 710.000 Tonnen stammten aus dem Inland. Schweden, Kanada, Finnland und die USA sind die Hauptlieferländer – und dort fällt auch der Großteil des enormen Drecks an, den die Papierproduktion mit sich bringt.

Im Prinzip gibt es drei verschiedene Verfahren, um das Holz zu zerfasern und damit den Papierrohstoff zu gewinnen. Zeitungen sind überwiegend mit dem Holzstoffverfahren hergestellt, bei dem die Stämme mechanisch zerkleinert werden. Bis zu 47,3 Megajoule Energie werden für ein Kilo derartig hergestellten Papiers benötigt – das ist soviel Strom, wie ein Kühlschrank in 26 Tagen verbraucht. Dafür sieht die Bilanz in punkto Abfall und Abwasser besser aus als bei den beiden Zellstoffverfahren: Fast das ganze Holz kann verarbeitet werden, und zur Bleiche setzen die Hersteller meist Wasserstoffperoxid ein, also kein krebserregendes Chlor. Für Papier aus Zellulose taugt hingegen nur etwa die Hälfte eines Baumstamms; Harze, Öle, Lignin und die eingesetzten Chemiekalien bilden einen Müllberg, der größer ist als der Papierhaufen am Schluß der Produktion. Beim Sulfatzellstoffverfahren, bei dem die Grundstoffe für Packpapier entstehen, kochen die Produzenten das Holz mit Soda, Schwefelsalz, Natriumsulfid oder Natronlauge. In der Umgebung der Fabriken stinkt es unerträglich nach faulen Eiern. Um zu bleichen, werden anschließend Sauerstoff und Chlor beigemischt.

Jedes Kilo derartig hergestellten Papiers verdreckt 1.500 Liter Wasser, hat das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft in Bern ausgerechnet. Etwa ein Fünftel der in Deutschland verarbeiteten Papierfasern wurden auf diese Weise produziert – allesamt im Ausland. Gestank und Gift belästigen somit nur die Menschen in anderen Ländern.

Hierzulande überwiegend angewandt wird das Sulfitzellstoffverfahren, bei dem hellere, aber weniger feste Papiere entstehen. Eine Magnesiumsulfit- und Schwefelsalzlösung trennt den Zellstoff von den übrigen Holzbestandteilen. Soll das Papier anschließend strahlend weiß sein, benutzen die Hersteller auch hierbei Chlor. Zunehmend wird aber zur Aufhellung eine Chlor-Sauerstoff-Kombination (Sauerstoffbleiche) oder eine relativ ungefährliche Sauerstoff-Peroxid-Mischung angewandt. Aber selbst diese vergleichsweise umweltfreundliche Methode führt zu Massen von Klärschlämmen und Schwefelemissionen.

Schwermetallbelastungen beim Papier resultieren meist aus der Bedruckung. Kupfer, Zink und Blei sind in aufwendigen Verzierungen von Zigarettenschachteln und Pralinienkästen enthalten. Besonders das, was golden glänzt, schadet der Umwelt. Annette Jensen