Algieriens Militärs verweigern sich dem Dialog

■ Vorschlag des französischen Präsidenten Mitterrand stößt auf wütende Reaktion

Paris (taz) – „Wenn die Europäische Union eine Algerien-Konferenz organisieren könnte“, hat François Mitterrand am Freitag laut nachgedacht – und eine schwere Krise zwischen Paris und Algier ausgelöst. Algerien holte prompt seinen Botschafter zurück, bestellte den französischen Botschafter ins Außenministerium ein, beschimpfte Frankreich auf allen offiziellen Medien und sprach von ungebetener „Einmischung in innere Angelegenheiten“.

Der französische Präsident, dessen Land seit Januar die sechsmonatige Ratspräsidentschaft der EU hat, hatte nach einem Treffen mit der neuen EU-Kommission angeregt, gemeinsam nach einem Ausweg aus dem seit mehr als drei Jahren andauernden Bürgerkrieg in Algerien zu suchen. Bei einer EU- Konferenz bestehe vielleicht eine größere Chance, daß diese Ideen „von den sich gegenüberstehenden Parteien anerkannt“ würden. Der Vorschlag kam kurz nach dem blutigen Attentat, bei dem am vergangenen Montag in Algier 42 Menschen getötet und 286 weitere Personen verletzt wurden. Einen Termin für seine Konferenz nannte Mitterrand nicht. Er präzisierte lediglich, sie solle unter der Ägide der Europäischen Union und „in Europa“ stattfinden. Dabei sollten die Vorschläge aufgegriffen werden, die acht algerische Parteien in Rom entwickelt hatten. Bei dem Treffen vor drei Wochen war ein „nationaler Pakt“ entstanden, die unter anderem die Wiederzulassung der „Islamischen Heilsfront“ (FIS) beinhaltet. Algeriens Militärregime lehnte das ab.

Am Samstag ließ Algier seinen Botschafter Hocine Djoudi aus Paris abreisen. Sein französischer Kollege Michel Leveque mußte vor dem Außenministerium in Algier das Anliegen Mitterrands rechtfertigen. Die heftige Reaktion zeigt, wie beunruhigt Algier die europäische Diskussion seit der Konferenz von Rom beobachtet. Vor allem in Paris herrschte bis Ende letzten Jahres noch eine völlig Ablehnung eines Dialogs mit den militanten Islamisten. Noch im letzten Jahr lieferte Frankreich Waffen und Militärhubschrauber nach Algerien und sprach auch seine Asylpolitik mit dem dortigen Regime ab. Die aufsehenerregende Flugzeugentführung während der Weihnachtstage machte aber der französischen Öffentlichkeit auf einen Schlag und blutig klar, daß der algerische Bürgerkrieg ihr Land erreicht hat. Seither ist auch die offizielle Linie in Bewegung geraten. Das französische Außenministerium gab zu der Abberufung des algerischen Botschafters Djoudis am Wochenende keinen Kommentar ab. Mitterrands Äußerungen seien „keine europäische Entscheidung“ und nicht einmal ein „Projekt“, hieß es, sondern lediglich eine „Hoffnung“.

Das algerische Fernsehen griff Mitterrands Vorschlag frontal an: Der Mann wolle die „paar Monate, die ihm noch bleiben, nutzen, um seinen Haß auf das souveräne und unabhängige Algerien auszudrücken“, verlautbarte es am Samstag. Ein algerischer Radiosender hielt Mitterrand, der zu Beginn des Unabhängigkeitskrieges im Jahr 1954 französischer Innenminister war, höhnisch dessen eigenen Kommentar aus der Kolonialzeit vor: „Verhandlungen bestehen aus Krieg.“ Dorothea Hahn