Nach dem Tod ein bitteres Urteil

In einem Mietprozeß urteilt das Landgericht Berlin homosexuelle Lebensgemeinschaften ab / Schwulenverband protestiert gegen mittelalterliche Moralvorstellungen  ■ Aus Berlin Tomas Niederberghaus

Hans Peter hat seinen Freund Paul bis zu dessen Tod gepflegt. Der 47jährige Arzt starb 1993 an den Folgen von Aids. Die beiden Männer hatten sich 1980 kennengelernt. Zwei Jahre später bezogen sie eine gemeinsame Wohnung. Der Mietvertrag lautete auf Pauls Namen. Paul und Hans Peter kauften gemeinsames Mobiliar, teilten sich Bad und Bett. Als Paul starb, informierte Hans Peter den Vermieter. „Daraufhin“, sagt Hans Peter, „wurde ich gebeten, den Wohnungsschlüssel abzugeben.“ Die Immobiliengesellschaft wollte nicht, daß er den Mietvertrag übernimmt. Hans Peter muß die Wohnung räumen. So will es auch das Landgericht Berlin. Mit der Urteilsbegründung qualifiziert das Gericht alle Beziehungen ab, die nicht unter den Ehevertrag fallen. Die Richter bezweifeln Hans Peters „innere Bindung“ zu Paul. Zudem fehle bei beiden Männern „das Bestehen einer homosexuellen Veranlagung“. Ihre zehnjährige Beziehung wird so als eine Art Wohngemeinschaft angesehen, in der nur aus einem Topf gewirtschaftet wurde.

„Geradezu himmelschreiend“, kommentiert der Schwulenverband Deutschland, „kommen die mittelalterlichen Moralvorstellungen der Richter daher.“ Gleichzeitig seien sie eine „Diskriminierung von Aidskranken“. Denn in dem Urteil heißt: „Selbst wenn man zugunsten Hans Peters aufgrund der Aidserkrankung von Paul auf eine homosexuelle Veranlagung schließen würde, fehlte es an einem Vortrag zur Ausschließlichkeit dieser Beziehung.“ Hans Peter ist darüber wütend. „Kein Heterosexueller wäre gefragt worden, ob er sich vor oder während der Beziehung infiziert hat.“ Eine Farce sei es auch, daß die Richter sein Schwulsein mit größtmöglicher Beiläufigkeit ignorierten. Sie hatten eine offene Darlegung der „Liebesbeziehung“ gefordert. Und das, obwohl sich Hans Peter gerade auf die „Homo-Ehe“ berufen hat, um Hauptmieter der Wohnung zu werden. „Ich hänge mir doch kein Schild um“, sagt er, „auf dem steht ,Ich bin schwul‘.“

Der Schwulenverband schlägt dem Deutschen Bundestag vor, den Paragraphen 569a des BGB entsprechend zu ändern: Gleichgeschlechtliche Lebenspartner des Mieters sollen nach dessen Tod als Familienangehörige in den Mietvertrag eintreten können. Laut Bundesgerichtshofes ist dieser Paragraph bisher nur auf eheähnliche Lebensgemeinschaften anwendbar. Allerdings muß es sich um Mann und Frau handeln – es muß eine „innere Bindung“ existieren, die „ein Einstehen füreinander begründet“.

Das Landgericht Berlin wirft damit erneut die generelle Frage auf: „Können Homosexuelle entgegen der Definition des Bundesverfassungsgerichts überhaupt eine eheähnliche Gemeinschaft führen?“ Die ganz normalen Richter bezweifeln im konkreten Fall, „ob Paul durch die Erkrankung des Verstorbenen oder durch die besondere innere Bindung psychisch belastet sei“.

Auch andere eheähnliche Verantwortungen werden ignoriert. Beispielsweise, daß Hans-Peter die Mietzahlungen schon Monaten vor Pauls Tod über sein Konto abgewickelt hat. „Es ist bitter genug, wenn man seinen Freund bis zum Tode pflegt“, sagt Hans Peter, „und dann bekommt man anschließend noch eins drauf.“ Moral und Treue gibt es eben nur in der heiligen Ehe. Vorausgesetzt, Staat und Kirche haben sie abgesegnet! Der Schwulenverband Deutschland rät: „Bestellung des Aufgebots beim Standesamt.“