Die Kohle-Connection läuft wie geschmiert

Landesregierung NRW powert Genehmigung für GarzweilerII am Parlament vorbei durch  ■ Aus Düsseldorf Johannes Nitschmann

Die Regierung Rau wird das umstrittene Braunkohle-Projekt Garzweiler II genehmigen. Gestern abend wollte das SPD-Landeskabinett nach Informationen der taz die entsprechenden Verfahrensschritte für die Genehmigung des 48 Quadratkilometer umfassenden Tagebauprojekts im Braunkohlenrevier zwischen Düsseldorf, Mönchengladbach und Aachen einleiten. Damit setzt sich Nordrhein-Westfalen über rund 19.000 Einwendungen aus der Bevölkerung und den anhaltenden Widerstand von Bürgerinitiativen, Umweltschützern und Kirchengruppen hinweg.

Die Grünen im Düsseldorfer Landtag und einzelne Abgeordnete aus den Reihen von CDU und FDP wollen gegen die Genehmigung für Garzweiler II vor dem Landesverfassungsgerichtshof in Münster klagen. Dabei stützen sie sich auf ein Rechtsgutachten des Rostocker Verwaltungsrechtlers Wilfried Erbguth, der das geltende Braunkohlenplanungsrecht für „verfassungs- und grundgesetzwidrig“ hält, weil das Landesparlament dabei völlig übergangen werde und keinerlei Entscheidungsbefugnis habe.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Landtags-Grünen, Michael Vesper, warf der SPD-Landesregierung vor, sie drücke sich bei der Genehmigung „um ein ehrliches Verfahren im Parlament“. Angesichts einer möglichen rot-grünen Koalition nach der Landtagswahl am 14. Mai, so mutmaßen Vertreter der Ökopartei, solle die Genehmigung des Mega-Tagebaus selbst unter Inkaufnahme von „groben Rechtsverstößen“ noch vor dem Wahltag durchgedrückt werden.

Auf die Braunkohle-Connection ist Verlaß in Nordrhein-Westfalen. Noch nie ist ein Tagebauvorhaben der RWE-Tochter Rheinbraun abgelehnt worden. Wie selbstverständlich werden einflußreiche Landes- und Kommunalpolitiker vom Unternehmen alimentiert; allein 80 kommunale Mandatsträger stehen nach Angaben von Rheinbraun derzeit im Sold des Bergbaubebetriebes. Seit 1949 wurde so die Zwangsumsiedlung von über 30.000 Menschen mit einem vordemokratischen Planungsrecht geräuschlos durchgesetzt.

Mit dem Aufschluß von Garzweiler II verlieren nicht nur weitere 7.500 Menschen Haus, Hof und Heimat, es ist zugleich der vielleicht folgenschwerste ökologische Eingriff in den bundesdeutschen Naturhaushalt, der dramatische Grundwasserabsenkungen bis hinein in die Niederlande befürchten läßt. Weite Teile des Naturparks Maas-Schwalm-Nette, eines in Europa einzigartigen Feuchtgebiets mit großflächigen Bruchwäldern und seltenen Pflanzenarten, drohen regelrecht zu versteppen.

Mit dem Aufschluß im Jahre 2006 sollen über vier Jahrzehnte lang jährlich zwischen 35 und 45 Millionen Tonnen Braunkohle abgebaggert werden. Da der Abraum für die vollständige Verfüllung des Tagebaus nicht ausreicht, muß ein gigantisches Loch von 2.300 Hektar Größe und 180 Meter Tiefe mit etwa zwei Milliarden Kubikmeter Wasser verfüllt werden. Über eine Pipeline sollen diesem weltweit bislang einmaligen Kunstsee pro Jahr 60 Millionen Kubikmeter Rheinwasser zugeführt werden. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) befürchtet als Folge „eine sterile Kunstlandschaft aus Reißbrettdörfern, Designer-Seen und begrünten Abraumhalden“.

Ein Stopp von Garzweiler II, argumentieren SPD und Bergarbeitergewerkschaft IGBE unisono, bedeute neben gravierenden Arbeitsplatzverlusten „den Ausstieg aus der Braunkohle und gleichzeitigen Ausbau der Kernenergie“. Für die Tagebaugegner ist dies „blanke Demagogie“ und „grober Unsinn“. Selbst wenn der Tagebau Garzweiler I in etwa zehn Jahren ausgekohlt ist, verfügt Rheinbraun mit den drei laufenden Tagebaubetrieben in den rheinischen Revieren Hambach und Inden bis Mitte des nächsten Jahrhunderts über stattliche Lagervorräte, die bis über das Jahr 2040 hinaus eine Jahresfördermenge von 70 Millionen Tonnen hergeben.