Am Vogelschutz lag es nicht

■ Der Bremer Umweltsenator Ralf Fücks zum Scheitern der Ampelkoalition / Die FDP kopierte de facto CDU-Programme

taz: Sie haben selber zugegeben, mit der Anmeldung von Vogelschutzgebieten am Senat vorbei gegen die Bremer Landesverfassung verstoßen zu haben. Ist das kein Rücktrittsgrund?

Ralf Fücks: Erstens macht mir niemand den Vorwurf eines persönlichen Fehlverhaltens, und nicht jedes Verwaltungshandeln, das mit Verfassungsvorschriften kollidiert, ist schon ein Verfassungsbruch. Hier handelt es sich um einen Formfehler, der durch den Rückzug der Anmeldung dieser Vogelschutzgebiete korrigiert worden ist. Der Fehler war also nicht irreparabel.

CDU und FDP schließen aus dem Vorgang: Fücks hat sein Ressort nicht im Griff.

Das ist ein Witz. Jeder weiß, daß ich hier auf hundert Hochzeiten getanzt habe, mit einem großen Querschnittsressort von Hafenentwicklung und Gewerbeflächen über Umwelttechnik bis zu Abfall und Abwasser. Es ist unvermeidlich, daß jemand, der auf so vielen Feldern agiert, auch Fehler macht. Wenn Pannen zukünftig ausgeschlossen sein sollen, wird das zur Passivität und Übervorsicht von Regierungsmitgliedern führen, die überhaupt nichts mehr bewegen. Politische Verantwortung übernehmen, heißt doch nicht, in jedem Fall seinen Hut zu nehmen, sondern sich mit Fehlern kritisch auseinanderzusetzen und sie öffentlich nachvollziehbar zu korrigieren.

Woran ist das Bremer Experiment nun wirklich gescheitert?

Die CDU hat mit zwei Mißtrauensvoten gegen mich zweimal das gleiche Thema gewählt, nämlich den Konflikt zwischen Natur- und Landschaftsschutz und Gewerbeflächenexpansion. Damit hat sie die Sollbruchstelle der Ampel getroffen, weil die FDP sich je länger desto mehr zurückgezogen hat auf eine traditionalistische Wachstumspolitik ohne Rücksicht auf ökologische Interessen. Sie hat de facto das CDU-Programm kopiert, statt mit den Grünen um die Rolle einer modernen Partei zu konkurrieren. Die FDP hat uns praktisch das ganze Feld von Umwelttechnologien, Gewerbeflächenrecycling, Altlastensanierung, Energiedienstleistungen komplett überlassen. Das gilt auch für das Thema Bürgerrechte und Toleranz.

Ist es nicht auch ein Problem der Grünen gewesen, daß keine Gemeinsamkeiten in der Ampelzusammenarbeit entstanden sind?

Die Grünen sind durchaus bis an ihre Schmerzgrenzen gegangen, wenn es um Rücksichtnahme auf legitime ökonomische Interessen in einem Stadtstaat ging, der 12 Prozent Arbeitslosigkeit und eine Rekordverschuldung aufweist. Wir haben ja nicht Ökologie pur versucht zu praktizieren, sondern haben uns wegen unserer Kompromißfähigkeit viel Kritik eingehandelt.

Liegt das Scheitern der Ampel daran, daß eine Partei der Wirtschaftslobbyisten noch immer unvereinbar ist mit einer Partei, die Ökologie durchsetzen will? Oder liegt das an Personen?

Ich würde bestreiten, daß die FDP die Wirtschaftslobby ist. Die Unternehmen denken ja längst viel differenzierter. Wir haben im Umweltressort mit einer Reihe von Großunternehmen zusammengearbeitet, wenn es zum Beispiel um Ökobilanzen ging, um die Reorganisation ihres Energiesystems, um Sonderabfallvermeidung oder auch um die Organisation von Mitfahrgemeinschaften der Belegschaft. Es hat durchaus innovative Ansätze gegeben, die die FDP auch für sich positiv hätte besetzen können. Sie hat sich darauf aber nie eingelassen. Die Industrie hat durchaus Bereitschaft, sich auf ökologische Reformen einzulassen, aber die Interessenverbände der Wirtschaft sind erzkonservativ. Und nur an denen hat sich die FDP orientiert. Die persönlichen Gegensätze, die sich im Laufe der Zeit verhärtet haben, sind eher Ausdruck dieser politischen Gegensätze. Der FDP-Wirtschaftssenator ist privat kein unsympathischer Mensch.

Ziehen Sie aus den Bremer Erfahrungen eine Lehre für Bonn?

Regierungskoalitionen brauchen ein Mindestmaß an politischen Gemeinsamkeiten – kein übereinstimmendes Programm, aber eine genügende Schnittmenge von Gemeinsamkeiten, die nicht zu ständigen Grundsatzkonflikten bei jeder praktischen Entscheidung führen. Daran ist letztlich die Bremer Ampel zerbrochen.

Das heißt, mit der FDP geht es für die Grünen einfach nicht?

Mit dieser FDP, einer Partei, die sich auf den Wirtschaftsliberalismus zurückgezogen hat, geht es wohl wirklich nicht. Das ist für die Grünen aber auch eine Chance, das liberale Feld zu besetzen ...

... und die bessere FDP zu werden?

Nein, die liberalen Traditionen der FDP zu beerben.

Interview:Dirk Asendorpf