„Polen rosarot-rot und konservativ“

■ Präsident Lech Walesa forciert eine links-liberale Koalition in Polen / Freiheitsunion und Sozialdemokraten sind skeptisch / Bauernpartei im Streit

Warschau (taz) – „Das Ziel des Präsidenten ist ein Bruch mit den Bräuchen der kommunistischen Volksrepublik. Dafür genügt es nicht, daß innerhalb der gleichen Koalition ein neuer Premier aufgestellt wird. Die aufgeklärten Elemente der Postkommunisten und die besten Köpfe der früheren Opposition müssen endlich zueinanderfinden“, forderte Staatsminister Lech Falandysz gestern vor der Auslandspresse in Warschau. Falandysz, der als einer der wichtigsten Berater Lech Walesas gilt, gab zu, daß der Präsident darauf hinarbeite, eine Koalition aus ehemaligen Kommunisten und der Freiheitsunion der ehemaligen Dissidenten und Ex-Premierminister Mazowiecki und Suchocka zustandezubringen. „Der Preis dafür wäre, daß die Sozialdemokraten mit ihrer kommunistischen Vergangenheit brechen und daß die Freiheitsunion ihre Jungfräulichkeit aufgibt“, sagte Falandysz. Eine Auflösung des Parlaments sei nach wie vor nicht ausgeschlossen – sie werde sogar wahrscheinlich, sollte es nicht zu der von Walesa angestrebten Koalition aus Sozialdemokraten und Freiheitsunion kommen. Notfalls werde man die Verfassung so interpretieren, daß Walesa eine vom bisherigen Parlamentspräsidenten und Sozialdemokraten Jozef Oleksy mit der Bauernpartei gebildete Regierung nicht ernennen müsse und dies dann eben auch nicht tun werde.

Ein führender Sozialdemokrat erklärte der taz gegenüber, Falandyszs Äußerungen überraschten ihn nicht: „Walesa will uns zueinandertreiben. Dann kann er Polen bei der Präsidentschaftswahl in ein rosarot-rotes und ein konservatives Lager spalten.“

In den Führungen beider Parteien gibt es starke Sympathien für eine Koalition, allerdings auch starke Widerstände, vor allem von der Basis. „Eine Koalition mit den Exkommunisten würde unsere Partei spalten“, befürchtet auch Piotr Nowina-Konopka, Abgeordneter der Freiheitsunion und Mitglied der Parteiführung. Die Union fordert die Berufung eines parteiunabhängigen Übergangskabinetts bis zu vorgezogenen Parlamentswahlen. Nowina-Konopka zur taz: „Das heißt nicht, daß der Premier und die Minister parteilos sein müssen. Aber wenn es Parteimitglieder sind, sollten sie nicht nur aus zwei Parteien stammen. Am besten wäre, alle Fraktionen würden eine solche Übergangsregierung unterstützen.“

Die Äußerungen von Präsidentenberater Lech Falandysz sind nicht der einzige Hinweis darauf, daß es Oleksy schwerhaben wird, eine Regierung zu bilden. Falandysz dazu: „Der Präsident hat keinen Einspruch gegen Oleksys Sondierungen zur Regierungsbildung erhoben. Aber das heißt nicht, daß er Oleksy als Premier akzeptiert.“

Jozef Oleksy selbst ist angesichts dieser Widerstände skeptischer geworden. Nach einem Treffen mit Lech Walesa erklärte auch er, der Präsident habe ihn offenbar nicht wirklich akzeptiert. Er benötige zur Regierungsbildung auch die Unterstützung beider Parteien, seiner eigenen und besonders die der Bauernpartei (PSL).

In der Bauernpartei wird heftig gestritten. Hatte sich die PSL-Führung noch am Mittwoch unter dem Druck Walesas darauf eingelassen, den Sozialdemokraten den Posten des Premierministers abzutreten, fordert der radikale Parteiflügel bereits, dieses Abkommen rückgängig zu machen. Die PSL müsse entweder in die Opposition gehen oder den Premierministerposten behalten. Klaus Bachmann