Rückkoppelungs- effekte

■ betr.: Berichterstattung über die Überschwemmungskatastrophe

Die „Jahrhundertehochwässer“ werden zum Alltag und sind Beispiel für unberechenbare, durch den Menschen provozierte und induzierte Rückkoppelungseffekte. Hydrologen warnen seit Jahrzehnten vor den Folgen der durch den badischen Obristen J.G. Tulla 1817 begonnenen „Rektifikationen“ des Oberrheins. Neben dem Ziel, die Hochwassersicherheit der Rheinanliegergemeinden herzustellen (!), sollte durch die Begradigung der Furkationszone zwischen Basel und Karlsruhe und der Mäanderzone zwischen Karlsruhe und Mainz auch der unsichere Grenzverlauf zwischen Frankreich und Deutschland geklärt werden. Damit wurde die Grundlage eines AB-Programms für Generationen von Wasserbauingenieuren geschaffen. Je mehr man versuchte, die Fehler der Vergangenheit durch neue Baumaßnahmen zu korrigieren, zuletzt durch den sogenannten modernen Ausbau zwischen 1950 und 1977, desto höher stiegen die Hochwasserscheitel. Allein durch das Abschneiden des Flusses von den Oberrhein-Auen zwischen Basel und Iffezheim gingen mit 130 Quadratkilometern, das heißt rund 60 Prozent, der vormals vorhandenen Überschwemmungsfläche verloren.

Man braucht kein Prophet zu sein, um voraussagen zu können, daß sich derartige Hochwässer häufen werden. Denn zu den Wasserbausünden an den Wasserläufen, und dies gilt fast für alle, kommen jetzt Faktoren wie Waldsterben, Versiegelung, Flurbereinigung und Klimaveränderungen hinzu. Nicht zuletzt müssen auch noch die Egoismen und Interessen derjenigen erwähnt werden, die die durch Deiche geschützte Gebiete als Bau- oder Anbauland mißbraucht haben – oder die dies ermöglicht haben.

Es klingt zynisch, ist aber nicht so gemeint: Wir sind doch für Wachstum, oder? Die immer häufiger auftretenden und wachsenden Flutwellen in unseren Flüssen korrelieren mit exponentiell wachsender Ignoranz und naiv-technokratischem Machbarkeitswahn. Sie sind das Äquivalent der täglichen Konsum-, Auto- und Müllflut. Beide sind ein Gradmesser der rasant fortschreitenden Umgestaltung unserer Mitwelt. Wer weiterhin auf quantitatives Wachstum setzt, der braucht sich nicht zu wundern, wenn ihm das Wasser eines Tages bis zum Halse steht. Rolf Brüning, Berlin