Böses im Schilde

■ Der Taslima-Nasrin-"Interviewer" manipuliert auch in seinen ARD-Beiträgen

Das Focus-Interview mit Taslima Nasrin, das nie stattgefunden hat, ist nicht der erste Schildbürgerstreich des Autors. Hans-Joachim Schilde hat als freier Mitarbeiter des Bayerischen Fernsehens mehrere Filme über den Sudan gedreht, die immer wieder mit Manipulationen und falschen Vorwürfen gegen die Kinderhilfsorganisation Unicef arbeiten. Auch davon wird Focus-Chef Helmut Markwort wieder überrascht sein, obwohl das seit einem Rechtsstreit vor dem Kölner Landgericht im vergangenen September bekannt ist. Ein Wunder, daß er jetzt noch für den WDR einen Film über Taslima Nasrin drehen durfte (siehe Besprechung links).

Der Prozeß zwischen Schilde und Unicef endete zwar mit einem Vergleich – einen Brief, den Schilde als beleidigend ansah, zog die Hilfsorganisation zurück. Doch das Material, das Unicef über die zwielichtige Arbeitsweise des Journalisten zusammengetragen hatte, darf weiter verbreitet werden. Von Mai 1990 bis September 1994 hat Schilde mehrere Fernsehbeiträge über den Sudan gedreht, die uraltes Filmmaterial als aktuelles ausgeben. Schilde möchte damit den Eindruck einer einheitlichen, weitgehend christlichen und für Freiheit und Demokratie stehenden Befreiungsfront SPLA im Süd-Sudan erwecken – ein Bild, das mit den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort nichts zu tun hat.

Seit 1991 explodiert immer dieselbe Mine

Zitat aus seinem Film vom 19. Juni 1994: „Die schwarze afrikanische Befreiungsbewegung SPLA versucht, die Aggression der islamischen Fundamentalisten an einer Front von mehreren tausend Kilometer Länge seit über einem Jahrzehnt zu stoppen. Die Kämpfer, viele von ihnen sind Christen, hoffen dabei auf den Westen.“

Keine Silbe davon, daß der von Schilde interviewte Guerillachef Dr. Lam Akol längst mit der Regierung verbündet ist. Sie hat ihn sogar mit einem eigenen Flugzeug aus Nairobi zu den Friedensverhandlungen geholt und wieder zurückgebracht. Um die angebliche Stärke der Guerilla zu belegen, verwendete Schilde noch Juni 1994 altes Bildmaterial und suggerierte, es sei hochaktuell: Seit August 1991 explodiert bei ihm immer dieselbe Mine vor den Fernsehzuschauern.

Auch damals schon (und zwischendrin noch einmal im Januar 1993) wurde die beeindruckende „Kampfszene“ gezeigt, bei der anschließend ein verletzter Soldat weggetragen wird.

Auch die G3-Gewehre, die von den Regierungssoldaten benutzt werden, stellt Schilde 1994 so vor: „Diese G3 ist eine Gabe aus Bonn an das Khartumer fundamentalistische Regime.“ Dasselbe Gewehr war schon in der TV-Szene vom August 1991 zu sehen. Damals allerdings wurde es in Bayern 3 als „Maschinenpistole“ vorgestellt: „Doch jeder Deutsche, der einmal in der Bundeswehr gelernt hat, wird sie sofort wiedererkennen. Die G3 ist das Rückgrat der deutschen Infanterie, und diese Waffen waren eine Gabe an eine islamische Armee, die damit auch bereit ist, die Zivilbevölkerung im Süd-Sudan, Kinder, Unschuldige, mitauszurotten. Sie haben sie umsonst aus Bonn bekommen.“

Der Autor Schilde liefert weder einen Beweis, daß das gezeigte Gewehr aus bundesdeutscher Produktion kommt (was natürlich durchaus der Fall sein kann), noch daß es der Regierung in Khartum kostenlos überlassen wurde.

Auch die Interviews mit dem irischen Priester Dan Eiffy, die Hans- Joachim Schilde am 19. Juni zeigte, sind – so belegt Unicef – mindestens eineinhalb Jahre alt. Mit diesem Interview-Auszug, entstanden auf einer Landepiste, wollte der Autor beweisen, daß „die weltgrößte Kinderhilfsorganisation Unicef seit Jahren dem Leid dieser Kinder tatenlos gegenübersteht“.

Selbst wer Unicef nicht nur positiv gegenübersteht, weiß, daß es die einzige UN-Organisation ist, die sich seit 1988 mit der Einrichtung der „Operation Lifeline Sudan“ wirklich um die Menschen des flächengrößten Landes Afrikas bemüht hat. Seitdem ist Unicef von Nairobi aus permanent im Süd-Sudan präsent, auch zugunsten vieler kleiner Organisationen, wie „Ärzte ohne Grenzen“, der Organisation „Deutsche Not- Ärzte/Cap Anamur“ und anderer.

Panzer oder Motorrad?

Bei der Gerichtsverhandlung in Köln kam es zur größten Peinlichkeit, die der Focus-Panne mit dem Nasrin-Interview, das es gar nicht gab, kaum nachsteht: In dem Film vom 19. Juni 1994 wird eine Brücke in Nahaufnahme gezeigt, dazu lautet der Kommentar: „Vor zehn Tagen wurde diese Brücke von den Rebellen gesprengt. Damit können die Panzer des Islam nicht weiter gegen die Schwarzafrikaner vordringen.“ Weitere Einstellungen zeigen diese Brücke in Nahaufnahme. Da wird dem Zuschauer deutlich, daß über die Brücke schon vor ihrer Zerstörung vielleicht ein Motorrad fahren konnte – bestimmt aber kein Panzer.

„So läßt sich eine Legende vom Heldentum bauen!“ heißt es im Unicef-Schriftsatz. Es werden dann noch gefallene Soldaten gezeigt, die Ausweise mit arabischen Schriftzeichen führen. Dazu heißt es bei Schilde: „Seltene Bilder. Frontwirklichkeit im Süd-Sudan. Leichen iranischer Soldaten, gefallen im Kampf für einen radikalen Islam gegen Schwarzafrika. In den letzten Monaten sind Tausende der Heiligen Krieger gefallen. Ihre Ausweise, im Irak und Iran ausgestellt ...“ Ausgerechnet die Soldaten der Mullahs sollten im Sudan Seite an Seite mit Soldaten des verfeindeten Irak irgendwo auf der Welt kämpfen?

Ärger mit falschen Bildern hatte Schilde schon einmal 1991 bekommen, als der ARD-„Weltspiegel“ einen seiner Süd-Sudan- Berichte vom Bayerischen Fernsehen übernehmen wollte. Dieser Filmbericht begann mit der Aufnahme eines Hospitals im Süd-Sudan. Behauptet wurde, es sei das Hospital von Bor, aus dem die deutschen Not-Ärzte 1991 fluchtartig verschwunden seien. Nur lag das von Schilde im Bild vorgestellte Krankenhaus nicht in Bor, sondern in der Stadt Leer – Hunderte von Kilometern entfernt. Rupert Neudeck