IRA-Land rückt Irland näher

■ Protestanten-Protest gegen anglo-irisches Papier

Dublin (taz) – Die Regierungen Großbritanniens und Irlands haben gestern – knapp ein halbes Jahr nach dem IRA- Waffenstillstand – ihr lange erwartetes Diskussionspapier für eine politische Lösung des Nordirlandkonflikts vorgelegt. Der Vorschlag sieht verschiedene gesamtirische Institutionen mit Exekutivgewalt vor, die dem Parlament in Dublin sowie einem neuen nordirischen Regionalparlament rechenschaftspflichtig sein sollen.

Der britische Premierminister John Major legte außerdem seine Pläne für ein nordirisches Regionalparlament mit weitgehenden Befugnissen vor – eine Forderung, die die Protestanten seit Jahren erheben. Beide Regierungen verpflichteten sich, den Anspruch auf Nordirland aus Gesetz und Verfassung zu streichen und sich verbindlich nach dem Wunsch der nordirischen Bevölkerungsmehrheit zu richten.

Die Bedenken der Protestanten konnten freilich dennoch nicht ausgeräumt werden. Pfarrer Ian Paisley sieht das Papier als eine „Kriegserklärung“, und Peter Robinson von der Demokratischen Unionistischen Partei sprach von einem „Räumungsbefehl“: Nordirland solle aus dem Vereinigten Königreich vertrieben werden. John Hume, der Vorsitzende der nordirischen Sozialdemokraten, begrüßte die Vorschläge hingegen als glänzende Diskussionsgrundlage und forderte die anderen Parteien auf, am Verhandlungstisch Platz zu nehmen. Damit ist vorerst jedoch nicht zu rechnen, da auch die Ulster Unionist Party, die größte nordirische Partei, eher ablehnend reagierte: Das anglo-irische Dokument enthalte nichts, was die Unionisten beruhigen könnte, sagte ihr Sprecher McGimpsey. Der Vizepräsident von Sinn-Féin, dem politischen Flügel der IRA, McGuinness, kündigte an, daß man das Papier auf dem Parteitag am kommenden Wochenende diskutieren werde. Und der EU-Kommissionspräsident Jacques Santer begrüßte das Papier als „bedeutenden Schritt im Friedensprozeß“. Ralf Sotscheck

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