Aktion mit Folgen

■ Die Gauck-Behörde geht juristisch gegen Lübecker Staatsanwälte vor

Berlin (taz) – Der Einmarsch der Lübecker Staatsanwaltschaft in die Berliner Gauck-Behörde wird ein juristisches Nachspiel haben. Wie berichtet, hatte die Staatsanwaltschaft in der vergangenen Woche versucht, im Zusammenhang mit den Ermittlungen der Todesumstände des früheren Ministerpräsidenten Uwe Barschel Diensträume und Wohnung eines Referatsleiters der Gauck- Behörde zu durchsuchen. Der Bundesbeauftragte für die Stasi- Unterlagen, Joachim Gauck, legte umgehend Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluß ein. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den angereisten Staatsanwalt soll nun folgen. Der betroffene Referatsleiter erwägt darüber hinaus, sich mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Unterstellung zu wehren, er habe den Lübecker Ermittlern Beweise vorenthalten.

Joachim Gauck und der Direktor seiner Behörde, Hans-Jörg Geiger, betonten gestern noch einmal den prinzipiellen Charakter der Auseinandersetzung. Es gehe darum, ob ein „Durchmarsch in das gesetzlich gesicherte Terrain der Stasi-Unterlagen zugelassen wird“, erklärte Gauck. Aus der Sicht der Gauck-Behörde knüpfte die Lübecker Staatsanwaltschaft eine verhängnisvolle Fehlerkette: der Durchsuchungsbeschluß sei beim Amtsgericht ebenso rechtswidrig beantragt wie genehmigt worden. Die dann beabsichtigte Durchsuchung von Diensträumen, Wohnung und Datsche des Referatsleiters mit zwölf Beamten habe in hohem Maße gegen jede Verhältnismäßigkeit verstoßen. Irritiert nahm die Berliner Behördenspitze weiter zur Kenntnis, daß der leitende Oberstaatsanwalt Wille in Lübeck nach der Aktion behauptete, sein Verdacht, ihm würden Beweise vorenthalten, habe sich bestätigt. Gauck und Geiger erklärten dagegen, den Ermittlern würden im Zusammenhang mit Barschel neu aufgefundene Unterlagen umgehend zugestellt – zuletzt am 15. Januar. Gauck drückte gestern die Hoffnung aus, die Lübecker Behörde möge „aufwachen aus diesem bösen Traum“.

Frommer Wunsch: Wille setzte am Dienstag einen Mitarbeiter in Richtung Rostocker Außenstelle der Gauck-Behörde in Bewegung. Er sollte dort die Echtheit von übergebenen Unterlagen überprüfen. Wolfgang Gast