Frauen schimpfen anders

■ Die Linguistin Karin Blüchle sammelt Schimpfwörter im internationalen Vergleich / Was für einen beleidigend ist, kann für andere ein Kompliment sein

Manche Menschen sammeln Briefmarken oder Bierteller, Karin Blüchle sammelt Schimpfkanonaden. Allerdings aus wissenschaftlichem Interesse: Die Doktorin der Linguistik und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität bringt in Lehrveranstaltungen ihren StudentInnen bei, welcher Kulturkreis welche sprachlichen Rituale, Höflichkeitsformeln oder eben auch Schimpfwörter hervorbringt.

Sau, Affe, Esel, Rindviech – der Vergleich eines Menschen mit einem Tier ist in vielen Sprachen beliebt, dennoch aber immer unübersetzbar. Die Kuh zum Beispiel gelte im Deutschen zwar als dumm, so Karin Blüchle, aber es gebe schlimmere Schimpfwörter. In Frankreich und Schweden hingegen sei diese Betitelung bereits eine deftige Beleidigung, denn dort werde das Viehzeug als regelrecht bösartig und besonders fett angesehen. In Indien sei die Kuh heilig und in China gelte sie sogar als Kompliment. Ein Deutscher, der eine Chinesin mit den Worten „Du gelbe Kuh“ beleidigen will, verneigt sich aus chinesischer Sicht vor ihr.

Die schlimmsten Beschimpfungen entstehen aus Verletzungen der größten Tabus einer Gesellschaft, referiert die Linguistin. Im katholisch geprägten Italien oder Spanien und Lateinamerika werde besonders gern die Mutter Gottes oder die eigene Mutter verflucht: „Hure Madonna“ oder „Hure Mutter“. Selbst im atheistischen Kuba setze sich diese Tradition ungebrochen fort. Die Forscherin erklärt das durch den starken Machismo, der alles Weibliche abwertet und eine Unmenge von Beleidigungen für die weiblichen Genitalien und für Homosexuelle kennt.

Im deutschen und auch im slawischen Sprachraum beobachtet Frau Blüchle indes eine besondere Vorliebe für Fäkalsprache: „Scheiße“ und „Arschloch“ ohne Ende. Daß hierzulande der Analbereich besonders tabuiert ist, belegt die Forscherin auch mit den „Notdurft-Euphemismen“, die sich im Deutschen besonders häufen: „aufs Örtchen gehen“, „mal müssen“.

In der islamisch geprägten Kultur, so berichtet sie weiter, stellen die schlimmsten Herabsetzungen das Tabu der Verehrung für Eltern und Ahnen in Frage. „Deine Mutter ist eine Eselin“, ist eine der furchtbarsten Beleidigungen für einen Araber. In China sind die Ahnen ebenfalls tabu. Überhaupt sei in China und im arabischen Sprachraum das Schimpfen an sich schon eine Tabuverletzungen – jedenfalls für Frauen: „Ein arabischer oder ein chinesischer Mann darf schon mal schmutzige Ausdrücke verbreiten, aber eine fluchende Chinesin gilt als schmutzig.“

Auch hierzulande hat Karin Blüchle etwas ähnliches beobachtet: „Eine obszön schimpfende Frau gilt als vulgär und ordinär, ein obszöner Mann nicht. Dafür wird ein weinender Mann als weibisch angesehen.“ Ist Fluchen also männlich? Jedenfalls das obszöne Schimpfen, findet sie. Frauen fluchen sicher nicht weniger als Männer, aber ihnen stehen – im Deutschen genauso wie in wohl allen Sprachen – weniger sexistische Ausdrücke zur Verfügung. „Du Schlappschwanz!“ – damit hat es sich schon. Ute Scheub