Über solche Fragen entscheidet das Parlament

■ Verfassungsrechtler Wilfried Erbguth über die Garzweiler-II-Klage der Bündnisgrünen

Die Bündnisgrünen wollen die Einrichtung des Braunkohlen-Tagebaus Garzweiler II nordwestlich von Köln gerichtlich stoppen. Die Planung, nach der etwa 8.000 Menschen umgesiedelt werden sollen, sei verfassungswidrig, argumentieren sie. Denn die Entscheidung über ein solches Projekt müsse der Landtag treffen – was aber in NRW nicht geschehen ist. Die Grünen stützen sich dabei auf ein Gutachten des Rostocker Verfassungsrechtlers Wilfried Erbguth.

taz: Herr Erbguth, wer entscheidet denn über ein Riesenprojekt wie Garzweiler II, wenn das Parlament nichts mitzureden hat?

Erbguth: Dafür gibt es in Nordrhein-Westfalen ein eigenes Organ, den sogenannten Braunkohlen-Ausschuß. Das ist ein amöbenhaftes Wesen, das nicht leicht zu beschreiben ist; jedenfalls ist es ziemlich pluralistisch besetzt: mit Vertretern der Städte, der Industrie- und Handelskammern u.a.

Trotz Pluralismus vermutlich aber ohne Umweltgruppen?

Sicher. Die Gesetze dafür stammen aus den fünfziger und sechziger Jahren und sind in erster Linie ökonomisch ausgerichtet, auch wenn sie bei Novellierungen ökologisch nachgebessert wurden.

Was kritisieren Sie an dem Verfahren?

Das Verfahren ist ohne Beteiligung des Landtags verfassungswidrig. Denn wenn ein Parlament die Volksvertretung ist, muß es die wesentlichen politischen Fragen entscheiden. Und da brauchen Sie bei Garzweiler II nur zu addieren: Mehrere tausend Menschen müssen umgesiedelt werden, die Energiepolitik wird für Jahre festgelegt, das Grundwasser sinkt in Regionen bis nach Holland. So etwas muß ein Parlament entscheiden.

Bei ähnlich dimensionierten Autobahnprojekten gibt es etliche Möglichkeiten, vor den Gerichten zu klagen. Gibt es die beim Braunkohlentagebau auch?

Nur eingeschränkt. Die Bürger können zunächst juristisch nicht dagegen vorgehen. Denn was der Braunkohlen-Ausschuß beschließt, zählt zur sogenannten Landesplanung. Und die bindet, so unsere gesetzliche Regelung, zwar die Behörden, nicht aber den einzelnen. Also kann der Bürger dagegen auch nicht klagen. Ich halte das zwar nicht für richtig. Denn für den Bürger ist sehr wohl absehbar, was auf ihn zukommt. Aber so ist nun mal unsere Rechtslage. Die Fraktion der Grünen im Landtag versucht jetzt einen zweiten Weg: eine Organklage vor dem NRW- Verfassungsgericht. Sie wollen damit zumindest die Beteiligung des Parlaments erreichen.

Hat diese Klage der Grünen aufschiebende Wirkung?

Nein. Aber daß die Bündnisgrünen das jetzt versuchen, hat zweifellos etwas mit dem Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen zu tun. Interview: Felix Berth