Rein rechtlich

■ betr.: „Bleibt Abschiebestopp für Kurden bestehen?“, taz vom 14. 3. 1995

Rein rechtlich darf ein politischer Flüchtling nicht in sein Herkunftsland abgeschoben werden. Ein politischer Flüchtling hat das Recht, in ein Drittland seiner Wahl auszureisen. Das gilt insbesondere für Kurden, was der Innenminister Deutschlands, Manfred Kanther, offenbar nicht wahrhaben will. Innenminister kommen und gehen; die Gefolterten aber werden gegangen unter etwas, wozu Sprache nicht ausreicht. Und weil das so ist, bin ich für einen allgemeinen Abschiebestopp für alle politischen Flüchtlinge.

Kanther kann mit Grausamkeiten wie der Folter möglicherweise recht lange Politik im Sinne der Mobilisierung der Massen zur Regierungs- und Machterhaltung machen. Doch auch Kanthers politische Karriere, die im wesentlichen bisher darin besteht, daß Kanther sich als Rechtsaußen profilieren will, wird zu einem jähen Ende kommen. Und dann, wenn Kanther dasteht, als das, was er wirklich ist, nämlich einer, der türkische Unterschriften zur Anti-Folter-Konvention vor die Wirklichkeit in der Türkei schieben willte, dann schlägt auch für Kanther die Stunde der Wahrheit.

Es wird immer einige wenige geben, welche Folterungen überleben. Und diese werden Kanther für seine Handlungen voll zur Verantwortung ziehen. Diese Verantwortung kann Kanther keine CDU/CSU-Parteipolitik abnehmen. Hierin scheint der persönliche Fehlschluß von Kanther zu liegen. Hingegen ist es im allerhöchsten Interesse von Innenminister Kanther, daß die Inexistenz von aufnahmebereiten Drittländern zum Thema gemacht wird. Die Frage, wer ein politischer Flüchtling ist und weshalb die abgelehnten Asylsuchenden nicht in ein Drittland ihrer Wahl ausreisen dürfen, wird damit auf den Punkt gebracht. Gleichzeitig wird damit die grausame Praxis von heute thematisiert, warum es so viele Asylsuchende sein müssen, denen der Status eines „politischen Flüchtlings“ aberkannt wird.

Es gibt immer genügend Zeit, einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden, daß aufnahmebereite Drittländer fehlen. Auch über den 15. März oder den 12. Juni hinaus. Wie die Fragen, wo es darum geht, Folterungen zu verhindern und zu vermeiden, zu einer Frage von Fristen verkommen konnten, ist ein bisher ungeschriebenes Kapitel in der Geschichte der Folter. Hierzu den letzten Beitrag leistete der SPD-Innenminister Schoor in einem taz-Interview: „Ich bin allerdings auch der Meinung, daß wir uns innerhalvb dieser Frist unter den Ländern auf eine einheitliche Regelung verständigen müssen.“ Damit läßt sich leider auch ein SPD-Vertreter in die lange Reihe jener Figuren in der Geschichte der Folter eingemeinden, die es bei der Abschaffung der Folter bloß gut meinen. Das genügt nicht. Folter muß man aktiv bekämpfen. Nik Eggmann, Kloten