Vergoldete Nostalgietour

Die Queen fördert britische Geschäfte im neuen Südafrika  ■ Von Willi Germund

Johannesburg (taz) – An der Vista-Universität in Port Elizabeth schrubbten Polizisten in aller Eile Wände sauber, auf die Studenten gepinselt hatten: „Zur Hölle mit kolonialer Herrschaft.“ Ein paar Dutzend Jugendliche, die vor den Toren des Parlaments in Kapstadt „Wir wollen essen“ skandiert hatten, wurden von Polizisten abgedrängt, bevor Großbritanniens Königin Elizabeth II. ankam. Und in dem Kapstädter Elendsviertel Khayelitsha ließen sich die Bewunderer dermaßen hinreißen, daß die Monarchin angesichts der stürmischen Begrüßung schneller als vorgesehen Reißaus nahm.

Südafrika erlag während der vergangenen Tage dem Queen- Fieber – und auf ihrer Yacht „Britannia“ liefen die letzten Vorbereitungen für die Werbekampagne „Opportunity Südafrika“. Denn wenn die Queen am Wochenende ihren sechstägigen Staatsbesuch beendet hat, bleibt ihre Luxusjacht noch einige Tage in südafrikanischen Häfen. An Bord sollen Seminare zur Werbung für die Verstärkung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern stattfinden. „Großbritannien ist der ideale Handelspartner für Südafrika“, behauptet selbstbewußt Handelsminister Richard Needham, der sich mit einem Troß von 35 Unternehmern dem königlichen Besuch angeschlossen hat.

Aus Großbritannien stammen die meisten ausländischen Investitionen in Südafrika, und die britischen Exporte an das Kap stiegen von 1,24 Milliarden Pfund im Jahr 1993 (nach damaligem Wechselkurs circa 3,2 Milliarden Mark) auf 1,41 Milliarden Pfund 1994. Königin Elizabeth II. mag zwar nicht mehr über ein weltumspannendes Kolonialreich gebieten, aber das Oberhaupt des 51 ehemalige Kolonien umfassenden Commonwealths rückte ihre Heimat angesichts des Elends in den Townships ins rechte Licht: „Fortschritt in diesen Bereichen ist nicht billig. Großbritannien ist froh, über Hilfe und verstärkten Handel beim Aufbau von Südafrikas wirtschaftlicher Stärke zu helfen.“ In Südafrika wird so etwas gerne gehört – zumal die EU dem Land die Aufnahme in das Lomé-Abkommen verweigert, in dessen Rahmen anderen früheren Kolonien europäischer Staaten in Afrika Handelspräferenzen eingeräumt werden.

„Auf Südafrika ruhen Hoffnungen, daß dieses Land helfen kann, Frieden in anderen Staaten des Kontinents zu erreichen“, erklärte die Queen außerdem bei einem Staatsbankett. Noch vor hundert Jahren verfolgte der englische Imperialist Cecil Rhodes den Traum, Afrika von Kapstadt bis Kairo für Queen Victoria zu erobern. Die Erinnerung an blutige Schlachten zwischen den Zulus und britischen Eroberern und an den brutalen Bürgerkrieg zwischen Buren und Briten um die Jahrhundertwende aber blieb beim Queen-Besuch im Hintergrund. Statt dessen wurden 800 schwarze Südafrikaner geehrt, die während des Ersten Weltkriegs mit einem britischen Kriegsschiff im Ärmelkanal untergingen. „Vielleicht kriegen wir etwas Geld für unsere damaligen Dienste“, hoffte der 81jährige Überlebende Germany Mlkwena – allerdings vergeblich.

Präsident Nelson Mandela wurde gegenüber der Queen dennoch arg schmeichelhaft. „Daß die Queen kommt, nachdem die Apartheid abgeschafft wurde“, erklärte er bei einem Bankett, „ist eine wichtige Anerkennung unseres Kampfes. Sie stellt unsere Würde wieder her.“ Zuvor hatten allerdings mehrere britische Premierminister, darunter besonders Maggie Thatcher, eher das weiße Minderheitsregime unterstützt – weil der ANC als kommunistisch verschrieen war. Und Queen Elizabeths Vater, König George VI., eröffnete beim letzten Besuch der britischen Königsfamilie am Kap vor 48 Jahren just jenes Parlament, in dem zum ersten Mal die Nationale Partei eine Mehrheit besaß, die die strikte Apartheid in Südafrika errichtete.

Aber darüber wurde während des Besuchs weitgehend hinweggesehen. Denn Südafrikas neue Regierung braucht wirtschaftliches Wachstum – und da ist Großbritannien eben ein wichtiger Partner. Auch wenn Anspruch und Wirklichkeit bei der ehemaligen Kolonialmacht schon einmal auseinanderklaffen. Das wurde beim Queen-Besuch ausgerechnet am Beispiel der Nobel-Karosse Rolls Royce deutlich. Das blau-graue Gefährt, mit dem die Königin in Port Elizabeth unterwegs war, gab zur Hälfte des Tages seinen Geist auf. Fahrer Monty Uren konnte Peinlichkeiten mit einem gold-gespritzten Ersatz-Rolls verhindern. Die Karosse stibitzte er kurzerhand aus der Garage eines Millionärs – der Eigentümer war gerade nicht aufzufinden.