Freiwilliger Dienst für den Frieden

Europäische Friedensinitiativen wollen freiwilligen „Zivilen Friedensdienst“ aufbauen / Ein erster Schritt ist die Ausbildung der Ausbilder / Konkretere Ansätze fehlen nach wie vor  ■ Aus Frankfurt/Oder Detlef Krell

Natalia Mirimanovas Steckenpferd ist die interethnische Konfliktlösung. Im US-amerikanischen Institut „Partners for democratic change“ in Moskau bildet die junge Ärztin Studenten aus, die vorwiegend von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus Rußland und anderen osteuropäischen Ländern delegiert wurden. Nach Frankfurt/Oder kam sie, um weitere Friedensgruppen kennenzulernen, besonders aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. „Es klingt zwar paradox“, meint sie, „aber wir finden ja nicht direkt zueinander, sondern immer nur über den Westen.“

Friedens-AktivistInnen aus sechzehn Staaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) diskutierten am Wochenende in Frankfurt an der Oder über die Möglichkeiten des „Zivilen Friedensdienstes – europaweit“.

Eingeladen in die Oderstadt hatte die deutsche Sektion der Helsinki Citizens Assembly (HCA), gemeinsam mit der Heinrich-Böll- Stiftung und der Stiftung Mitarbeit. Die 1990 in Prag gegründete HCA versteht sich als Netzwerk von Bürgerrechtsgruppen, sozialen Bewegungen und anderen nichtstaatlichen Organisationen der OSZE. Die Idee eines zivilen Friedensdienstes, die vor mittlerweile gut einem Jahr von der Evangelischen Kirche Berlin/Brandenburg und dem Bund für Soziale Verteidigung, einer Dachorganisation von deutschen Friedensinitiativen, entwickelt wurde, ist in Deutschland vor allem bei Friedensgruppen äußerst umstritten. Kriegsdienstverweigerer kritisieren die vorgesehene Koppelung dieses „einjährigen, freiwilligen Dienstes“ an eine Befreiung von der Wehrpflicht und anderen Zwangsdiensten.

Der Geschäftsführer des Bundes für Soziale Verteidigung, Kurt Südmersen, warnte davor, den „zivilen Friedensdienst zur Heilslehre zu stilisieren“. Die Friedensdienstler sollen nicht missionierend über Land ziehen und Konflikte wegreden, sie sind auch keine zivile Eingreiftruppe. Südmersen versteht den „Zivilen Friedensdienst“ vielmehr als „Stärkung von Basiskompetenz“, als eine Organisationsform, mit der sich nichtstaatliche Organisationen über Früherkennung, Prävention und die Nachbereitung von Spannungen effektiver in die Politik einmischen könnten.

Wie die „hoffnungsvolle politische Innovation“ allerdings konkret aussehen sollte, wird bisher nur unscharf beschrieben. Die Frankfurter Runde war sich einig, daß dieser Dienst nur freiwillig von Frauen und Männern geleistet werden sollte. Außerdem brauche er natürlich Profis und Geld. Klar war man sich auch, daß zukünftige Friedensdienstler nicht ohne jegliche Ausbildung in eine Krisenregion geschickt werden können. Ein erster Schritt ist also die Ausbildung der Ausbilder. Da konnte Arno Truger, Studienleiter des Österreichischen Studienzentrums für Friedens- und Konfliktforschung, auf eigene praktische Erfahrungen verweisen. In seinem Zentrum werden in vierwöchigen Kursen „Leute aus den verschiedensten Berufen, Regionen und Kulturen“ für die Arbeit in Konfliktregionen ausgebildet – für UNO und OSZE, auch für NGOs. In den Haushaltsplänen der Bundesministerien ist die Pazifistenschule eine bekannte Größe: Jedes Ressort trägt ein Scherflein bei, damit dort auch Teilnehmer aus afrikanischen und osteuropäischen Ländern für den zivilen Krisendienst ausgebildet werden können. Trugers Tip: Nur keine Berührungsängste zum Staat, sondern „Plätze besetzen!“

Ob diese Nähe zum staatlichen Tropf dem „Zivilen Friedensdienst“ eher einen Alibigeruch verleihen würde, war jedoch nicht die wichtigste Frage in der demonstrativ gewählten Grenzstadt an der Oder. Zunächst wollten sich Friedensgruppen diesseits und jenseits der „Schengen-Grenze“ näherkommen und ihre Arbeit vernetzen. „Wir brauchen Unterstützung von Fachleuten und mehr Informationen“, erklärte Stefan Sobotka aus Rumänien. Er arbeitet in einer Initiative, die sich mit den ethnischen Konflikten in der eigenen Region befaßt und dabei bisher ziemlich allein steht. Auch TeilnehmerInnen aus der Ukraine, aus Moldawien, Polen und den Niederlanden drängten auf eine professionelle Kooperation zwischen den NGOs. In einer Resolution stellten die Friedens-AktivistInnen klar, „daß die OSZE als gesamteuropäische, bislang rein zivile Organisation besonders dafür geeignet ist, den neuen und zukunftsträchtigen Weg ziviler Konfliktbearbeitung zu beschreiten“.

Seit dem Tschetschenien-Krieg, erklärt Natalia Mirimanova, „werden die Friedensgruppen auch von der Bevölkerung stärker akzeptiert“. Frieden zu stiften sei möglich, meint die Moskauer Ärztin. Zusammen mit einer niederländischen Initiative hatte sie Jugendliche aus dem Kaukasus eingeladen, die zu verschiedenen ethnischen Gruppen gehören und sich in bewaffneten Formationen bekämpft hatten. „Wir haben es geschafft, daß diese Jugendlichen über gemeinsame Projekte miteinander gesprochen und nach zwei Wochen gesagt haben: Ich nehme nie wieder eine Waffe in die Hand.“