Pro Familia soll ausgebootet werden

■ Keine Krankenkassen-Abrechnung mehr möglich / Pro Familia: „Verleumdungskampagne“

Pro Familia Bremen darf seit Anfang April ambulante Sterilisationen und medizinische Leistungen vor und nach Abtreibungen nicht mehr mit den Krankenkassen abrechnen. Die Bremer Kassenärztliche Vereinigung (KV) hat den beiden dort arbeitenden Ärzten die Ermächtigung entzogen, da sie „dem Facharztstandard nicht genügen“. Zudem gebe es für das Angebot von Pro Familia „keinen Bedarf“. Für Frauen, die das Angebot von Pro Familia weiterhin nutzen wollen, bedeutet dies, mindestens noch einen weiteren Arzt konsultieren zu müssen, wenn sie die Behandlung nicht – wie ja meist schon die Abtreibung selbst – aus eigener Tasche finanzieren wollen.

Der Verein zur Familienplanung, der in den letzten 16 Jahren 52.000 Eingriffe und 120.000 Beratungen durchgeführt hat, sieht seine Existenz bedroht: „Die Kassenärztliche Vereinigung will lediglich den niedergelassenen Ärzten ihre Marktanteile und Pfründe sichern“, sagte gestern Geschäftsführerin Hanna Staudt-Hupke. Unterstützt wurde Pro Familia vor Ort von Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, die derzeit bundesweit Einrichtungen besucht, die Beratung von Frauen zum Schwangerschaftsabbruch übernehmen. Der Verein arbeite vorbildlich mit seinem komplexen und übergreifenden Angebot von Information, Beratung und medizinischer Hilfe: „Wenn diese Einrichtung auseinandergerissen wird, geht das zu Lasten von Frauen in Konfliktsituationen“, so Leutheusser-Schnarrenberger.

Bereits im Sommer letzten Jahres wollte die KV, deren Auftrag es ist, die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, Pro Familia die Ermächtigung entziehen. Begründung: Es gebe im Gegensatz zu 1983, wo diese Ermächtigung erteilt wurde, mittlerweile genügend Gynäkologen am Ort. Seit Oktober 1994 gilt nun bundesweit eine „Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen beim Ambulanten Operieren“, die auch für Schwangerschaftsabbrüche, deren medizinische Begleitung wie Ultraschalluntersuchungen sowie Sterilisationen von Frauen und Männern einen „Facharztstandard“ vorschreibt. Nun lautet die Begründung, daß ebendieser Standard fehle. KV-Sprecherin Ruth Hoffmann: „Pro Familia hat eine neunmonatige Übergangsfrist nicht genutzt, um ihren beiden Ärzte bei der Kammer ihre fachärztliche Befähigung nachweisen zu lassen. Wenn wir die Standards so nicht sichern können, ist das ein Weg in die Zwei-Klassen-Medizin.“ Und es wird mit noch härteren Bandagen gekämpft: „Für mich ist es kein Facharztstandard, wenn einer der beiden Ärzte nachweist, in Thailand 25 Abtreibungen vorgenommen zu haben“, so Hoffmann. Eine üble Verleumdung laut Staudt-Hupke: „Dabei handelt es sich um eine Fortbildung von vielen! Unsere beiden Ärzte sind in den Niederlanden ausgebildete Familienplanungsärzte, eine Bezeichnung, die es hier nicht gibt.“ Und sie arbeiten beide seit langen Jahren in diesem Bereich. Für Pro Familia ist klar: Ihr Konzept soll ausgebootet werden. Von Seiten der KV sollen auch schon mal Bemerkungen gefallen sein wie „Pro Familia ist so überflüssig wie ein Kropf“.

Verhandlungen zwischen Pro Familia und der KV um einen sogenannten Institutsvertrag, der wie in anderen Bundesländern der Einrichtung und nicht den Ärzten direkt die Kassenabrechnung ermöglicht, scheiterten ein dreiviertel Jahr lang. Aus Sicht von Pro Familia, da die KV sich schlicht weigert. Argumentation: Kein Bedarf... Die KV hingegen behauptet, Pro Familia habe den Institutsvertrag abgelehnt, da so weniger Geld abgerechnet werden kann.

Die Bremer Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe findet es bezeichnend, daß die Entscheidung der KV zu einem Zeitpunkt falle, in der für Gynäkologen Zulassungssperren verhängt und sich niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser die Möglichkeit ambulanter Operationen zu sichern versuchten. Pro Familia kündigte rechtliche Schritte gegen die KV an.

Susanne Kaiser