„Ich hoffe auf ein Klimawunder“

■ Die US-Amerikanerin Claire Greensfelder ist Aktivistin beim „Frauennetzwerk für eine plutoniumfreie Zukunft“ und der Umwelt- und Entwicklungsorganisation (WEDO)

taz: Was hat der Klimagipfel mit Frauen und dem Geschlechterverhältnis zu tun?

Claire Greensfelder: Frauen, die immerhin die Mehrheit der Bevölkerung auf diesem Planeten stellen, sind schon lange besorgt über die Klimakrise. Sie sind zum Beispiel von Dürrekatastrophen und der Ausdehnung der Wüste besonders betroffen. Denn sie sind es, die in Afrika und anderswo gezwungen werden, immer weitere Wege zurückzulegen, um Wasser, Feuerholz und Nahrungsmittel zu besorgen. Außerdem tragen sie die Sorge für ihre – oft durch Umweltschmutz – krank gewordenen Kinder oder ihren alten Eltern. In den industrialisierten Ländern müssen Frauen viele Wege zurücklegen, um ihre Kinder zur Schule zu bringen und sie dabei vor Abgasen und Unfällen zu schützen.

Zu diesem immer beschwerlicher werdenden Alltag kommen Naturkatastrophen hinzu. Sieben der größten Katastrophen, die in der Geschichte der USA registriert wurden, haben sich in den letzten zehn Jahren ereignet: Wirbelstürme, Hochwasser, Trockenheit. Es sind vor allem Männer, die den Klimawechsel verursacht haben. In den USA sind 95 Prozent aller Manager der wichtigsten Unternehmen – der Ölmultis, der Atomfirmen und so weiter – männlichen Geschlechts. Sie könnten die Klimakatastrophe aufhalten, sie tun es aber nicht. Also brauchen wir mehr Frauen in den Entscheidungsgremien.

Machen Frauen es besser?

Sie unterstützen Umweltinitiativen in viel größerem Ausmaß als Männer. Deswegen bin ich sicher, daß wir positive Veränderungen sehen werden, sobald mehr Frauen an der Spitze von Unternehmen, Regierungen und der UNO stehen. Die größere Sensibilität der Frauen zeigt sich auch in den regierungsunabhängigen Organisationen: Rund 1.500 Frauen von NGOs aus 83 Ländern trafen sich 1991 in Miami auf Initiative der Umwelt- und Entwicklungsorganisation der Frauen (WEDO). Diese hat die progressivsten Forderungen in den Umweltgipfel von Rio eingebracht, speziell in die Agenda 21. Und die meisten Umweltinitiativen auf der Welt werden von Frauen angeführt. Die beeindruckendste Rede, die ich je gehört habe, war von einem zwölfjährigen Indianermädchen, das in der Nähe der weltgrößten Uranmine lebt und jeden Tag mit dem Schulbus durch verseuchtes Gelände fahren muß. Auf dem Frauenforum traf ich Mara di Perna aus Brasilien, die ganz allein vor zehn Jahren ein Radioprogramm gestartet hat, in dem ökologische Lebensweisen propagiert wurden, und das auch dazu beitrug, daß eine Polizeistation nur für Frauen errichtet wurde. Eine weitere Frau, Denise Tulloch, hat als einzige über ein Alternativenergieprojekt in Jamaika die ganze dortige Energieversorgung verändert. Hunderttausende von Frauen arbeiten unbemerkt von der großen Politik, aber höchst erfolgreich und höchst demokratisch auf dieser lokalen Ebene. Wir müssen sie nur weltweit vernetzen.

Sie haben in Berlin aber auch mit einer Frau diskutiert, die in vielen Dingen so sensibel nicht ist: Umweltministerin Angela Merkel.

Ich habe ihr auf einer Pressekonferenz gesagt, daß wir vom Frauenforum die Forderung der Inselstaaten nach radikaler Minderung der CO2-Emissionen unterstützen, den Ausstieg aus der Atomenergie und die massive Unterstützung regenerativer Energiequellen verlangen. Und daß wir all das auch auf der UN-Frauenkonferenz in Peking einbringen werden. Sie war durchaus aufgeschlossen und meinte, es sei gut, daß Frauen über das Klima reden und nicht über den Kindergarten. Als ich später privat mit Frau Merkel sprach, sagte ich ihr, daß viele Frauen radikal gegen Atomkraft sind. Da sagte sie: Well, das ist eine andere Frage. Nun, wir machen unsere Allianzen, wo wir können. Wenn Frau Merkel uns an dem einen Punkt unterstützt, prima, und für den anderen werden wir jemand anders finden.

Sie sind zufrieden mit Berlin?

Mit dem Frauenforum sehr, mit dem Klimagipfel natürlich überhaupt nicht. Ich gehe von hier weg mit dem Gedanken, daß wir in den USA große Kampagnen gegen die schlimmsten Bremser in der Klimapolitik führen müssen, gegen die US-Energieunternehmen.

Und was ist mit den Hoffnungen auf den angeblichen Superökologen, Vizepräsident Al Gore?

Ich habe ihn getroffen, und ich glaube schon, daß er genau weiß, wie kritisch es um das Weltklima steht. Er hat eine Menge engagierter Leute, vor allem Frauen, in seinem Stab. Aber seit die Republikaner bei den Wahlen im November so starke Gewinne erzielt haben, ist er sehr zögerlich geworden. Der Druck der Unternehmen ist einfach zu stark. Deswegen werden unsere Kampagnen gegen sie so wichtig sein.

Liegt die Ignoranz der Männer daran, daß sie nie gelernt haben zu putzen und Müll wegzubringen?

Allerdings. Die Wissenschaftler denken einfach nicht an Entsorgung. Sie wollen immer noch Krieg machen und geben es selbst zu: Es ist aufregender, etwas in die Luft zu sprengen als aufzuräumen. Ich hatte ein schockierendes Schlüsselerlebnis in den Livermore Laboratories, wo alle US-Atomwaffen hergestellt werden. Dort war ich zusammen mit einem atomkritischen russischen Wissenschaftler. Die Mitarbeiter, die noch niemals einen unabhängigen Atomwissenschaftler aus der Ex-Sowjetunion getroffen hatten, stellten ihm eine Frage nach der anderen. Am Ende sagte er: Jetzt habe ich eine Frage an Sie, was machen Sie mit dem, was hier übrigbleibt? Zuerst fragte der Übersetzer zurück: Was meinen Sie? Das wird doch in dem Vertrag über den Abbau der Mittelstreckenraketen behandelt. Daraufhin er: Nein, ich meine nicht die europäischen Atomraketen. Was machen Sie mit dem, was übrigbleibt, nachdem Sie die Waffen produziert haben? Sie verstanden immer noch nicht und antworteten: Wir versuchen alles zu verbrauchen. Der höfliche UN-Übersetzer verlor schließlich die Nerven und sagte: Er will wissen, was Sie mit dem radioaktiven Müll machen! 25 Wissenschaftler wurden plötzlich ganz still. Ihr Moderator antwortete schließlich: Oh, damit haben wir nichts zu tun. Dafür sind die Geologen zuständig. Ist das nicht schockierend? Die kriegen Milliarden über Milliarden und entwickeln keinerlei Verantwortung für das, was sie tun. Das gleiche gilt für die Öl-, die Chemie- oder Autoindustrie.

Wie lange brauchen wir noch bis zu einer Umweltwende?

Ich bin Optimistin. Gorbatschow oder den Fall der Mauer konnte auch niemand vorausahnen. Wir müssen einfach aktiv bleiben und offen für Wunder. Wir müssen uns so organisieren, als ob keine Wunder passieren, aber wenn doch, um so besser. Ich hoffe auf ein Klimawunder. Interview: Ute Scheub