„Die Lufthansa steht dumm da“

■ Ruprecht Polenz, CDU-Bundestagsabgeordneter, will erst wieder mit Lufthansa fliegen, wenn sie auch Rushdie wieder befördert

Ruprecht Polenz, 49, hat in einem Brief an seine Fraktion erklärt, möglichst nicht mehr mit Lufthansa fliegen zu wollen, solange sich die Gesellschaft weigert, Salman Rushdie zu transportieren. Die Lufthansa erklärt ihre Weigerung mit Sicherheitsbedenken. Gegen Rushdie besteht seit sechs Jahren ein Mordaufruf des Ajatollah Khomeini. Polenz schreibt in seinem Brief: „Wie hätten wir wohl reagiert, wenn sich die Lufthansa Ende der siebziger Jahre geweigert hätte, führende Vertreter unseres Staates und der Wirtschaft zu befördern, weil diese auf Todeslisten der RAF standen?“ Unterdes meldet dpa, daß die Außenminister der EU eine Erklärung des Iran fordern werden, daß Rushdie im Raum der EU Schutz vor der „Fatwa“ genießt.

taz: Günther Wallraffs Aufruf, nicht mehr Lufthansa zu fliegen, ist schon einige Monate alt – was hat Sie jetzt bewogen Ihren Brief an Ihre Kollegen von der Bundestagsfraktion zu schreiben?

Ruprecht Polenz: Den Aufruf des Rushdie-Komitees habe ich ja auch unterschrieben. Mit dem Brief geht es mir zunächst darum, die Fraktion zu informieren, weil ich annehme, daß manche noch gar nicht von der Sache gehört haben. Ich hoffe natürlich auch, daß sich andere Abgeordnete meinem Brief anschließen. Vielleicht merkt die Lufthansa dann ja, daß sie sich da verrannt hat. Ich möchte die Lufthansa dazu bewegen helfen, ihre Haltung unter Wahrung des Gesichts zu verändern.

Haben Sie schon versucht, mit Vertretern der Lufthansa selbst darüber zu sprechen?

Ich habe eine längere Korrespondenz mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden geführt. Das hat bisher nichts genützt. Ich bin allerdings zuversichtlich, daß sich die Kritik – auch unter den Abgeordneten – vergrößern wird. Ich habe schon erste Rückmeldungen aus meiner Fraktion.

Die Bundesregierung hat angedeutet, daß sie das Verhalten der Lufthansa juristisch bedenklich findet, will aber selbst nichts dagegen unternehmen.

Sie kann nicht – die Lufthansa ist privatisiert. Aber wer weiß, ob nicht die Lufthansa einer möglichen Klage zuvorkommen sollte? Dumm da steht die Lufthansa jetzt schon. Und das im Jubiläumsjahr!

Die dänische Regierung hat vom iranischen Botschafter in Kopenhagen die Zusage bekommen „daß die iranische Regierung keine Rushdie-Attentäter senden wird“. Sie hat das unter Drohung mit Wirtschaftssanktionen erreicht. Sollte Bonn einen ähnlichen Schritt unternehmen?

Von diesem dänischen Schritt habe ich noch nichts gehört. Das könnte ein Anknüpfungspunkt für andere westliche Regierungen sein. Interview: Thierry Chervel