Press-Schlag
: Die nächste, bitte!

■ Der Dopingfall Tiedtke-Green ist für den DLV „business as usual“

Nehmen wir an, Susen Tiedtke-Green habe gedopt, und es gibt wenig Grund anzunehmen, daß sie nicht hat, dann wäre zu fragen, was das für die Sportlerin, was für den Deutschen Leichtathletik-Verband bedeutet? Die erste Antwort könnte sein: einiges, die zweite: wenig.

Die 26jährige Weitspringerin war einen Tag nach dem Gewinn der Bronzemedaille bei den Hallen-WM in Barcelona getestet worden, und die A-Probe ergab, das hat Manfred Donike, Leiter des Kölner Doping-Kontrollabors, gestern noch einmal bestätigt, „mit absoluter Sicherheit Oral-Turinabol“, jenes anabole Präparat, mit dem die DDR ihre AthletInnen zu präparieren pflegte.

Susen Tiedtke-Green Foto: AP

Nun ist die aus dem DDR-System hervorgegangene Berlinerin stets nicht allein von Fotografen, sondern auch von Gerüchten umschwirrt gewesen, insbesondere seit sie zu Ehemann Joe Green nach Columbus (Ohio) umzog, ins gelobte, da fast kontrollfreie Leichtathletik-Land. Als sie nach mediokrer Vorsaison nach Barcelona kam, plötzlich 6,90m sprang und für den Sommer gar 7m-Sprünge ankündigte, nickte sich die Branche wissend zu.

Wenn die Blonde nun aber erwischt worden sein sollte, so wäre das nicht den als streng geltenden deutschen Kontrollen, sondern einer fatalen Fehleinschätzung zuzuschreiben: Tiedtke-Green mußte in Barcelona mit Kontrolle rechnen und sprang folglich unter der Annahme, sauber zu sein. Der DSB, der sie am Tag darauf in Berlin kontrollierte, wohl, um die Flugkosten sparen zu können, mußte ebenfalls davon ausgehen. Nun hat aber das Labor Donike seit DDR-Tagen hart gearbeitet: Bei der Computer- Analyse können mittlerweile auch extrem kleine durch verbotene Substanzen verursachte Ausschläge nachgewiesen werden. Vater Jürgen Tiedtke, seit Jahren ihr Trainer, und seine Tochter hätten schlicht, vermutet der Heidelberger Dopingexperte Werner Franke, „die Erfassungsgrenze der modernen Wissenschaft unterschätzt“. Oral-Turinabol, das, wenn überhaupt, bei Krebskranken im Endstadium Anwendung findet, gibt es im übrigen nicht auf dem amerikanischen Markt und muß aus Deutschland kommen, wo Jenapharm es herstellt und ein Stuttgarter Pharmagroßhändler es vertreibt. Die Eltern behaupten, es sei der Tochter in Barcelona in die Wasserflasche getan worden. Beim DLV macht man solche Spielchen längst nicht mehr mit. Der Verband, der bestrebt ist, Doping zu ächten, hat sich an DoperInnen gewöhnt, da gewöhnen müssen. Was folgt, ist „business as usual“: Warten auf die B-Probe, die Athletin wird den Rechtsausschuß anrufen, schließlich folgt doch eine vierjährige Sperre durch die IAAF. Der Hochleistungssport ist dann für Susen Tiedtke-Green ein abgeschlossenes Kapitel. Beim DLV wartet man in der Zwischenzeit schon auf den nächsten Fall. pu