Geräuschkomfort als Ziel

■ An der Uni Oldenburg erträumen sich Physik und Psychologie gemeinsame Zukunft

August Schick ist kein Weltverbesserer. Das behauptet er jedenfalls, obwohl er den ganzen Tag daran arbeitet, das Leben angenehmer zu gestalten. Ruhiger vor allem. Denn August Schick ist Oldenburgs oberster Lärmforscher – auch wenn er das von sich selbst nie sagen würde. Ebensowenig, wie er das Wort „Lärmverschmutzung“ in den Mund nimmt. Dieser Mann neigt nicht zur Übertreibung.

Im Gegenteil. Der Leiter des Instituts zur Erforschung von Mensch-Umwelt-Beziehungen an der Universität Oldenburg gehört zu einer Spezies, die als fast ausgestorben gilt – so wenig will sie auffallen. Aber möglicherweise ist das nur in Deutschland so. In Japan gelten andere Sitten – und dort hat der unübersehbar bescheidene Psychologie-Professor großen Erfolg. Für seine psycho-akustische Forschung erhielt er bereits zwei renommierte Auszeichnungen, sogar für den japanischen Nobel-Preis darf er vorschlagen. Sicher versteht man in Japan, warum August Schick notorisch untertreibt – außer, weil er „große Maxe“ nicht mag. „Die machen Teams kaputt, weil sie alles selber verbraten und aufessen wollen.“

Zurückhaltung in Qualitätsfragen gehört allerdings auch zu August Schicks Fach: „Beim Wahrnehmen ist das Kategorisieren schwer.“ Die angenehmen von den unangenehmen Geräuschen zu unterscheiden und – vor allem – ihre einzelnen Merkmale meßbar zu machen, das ist seine Wissenschaft. Denn noch weiß ja niemand, ab wann beispielsweise metallisches Schrammen im Motor stört – und wen überhaupt. Das kleine Meßgerät, das an den Rasenmäher angeschlossen außer krankmachenden Dezibel auch den Störfaktor „metallisches Schrammen“ anzeigt, muß erst noch erfunden werden. Möglich, daß das in Oldenburg passiert.

Dort interessiert man sich für alles, was Krach macht: Für Rasenmäher, Staubsauger und Autos gleichermaßen. Aufs Innenleben kommt es an: tausend Geräusche und Nebengeräusche, von denen niemand weiß, wie Menschen sie empfinden. Das ist die Fundgrube für den Ingenieur von morgen – und für den Psychoakustiker Schick. Der sagt sehr schlicht: „Ohne die Physik wäre ich nichts“. Dabei lehrt er den Ingenieur, auf die „Rauhheit“ von Dieselmotoren oder den schnarrenden Klang von Kehlkopfersatz zu achten. Sein Team untersucht, wie Menschen sich damit fühlen, dann hilft die Physik, Mißtöne auszuschalten.

Wer sowas erfolgreich macht, hat ausgesorgt. Im „Sound-Engineering“ liegen Wettbewerbschancen, die auch deutsche Hersteller erkennen: „Allein bei BMW in München arbeiten daran 200 Leute“, sagt Schick. „Aber schrecklich viel wissen wir von diesen Dingen noch nicht. Die Flucht vieler jüdischer Wissenschaftler vor den Nazis hat eine große Lücke in den Forschungszweig gerissen.“ Nur wenige Universitäten, Eichstätten, Bochum und ein paar andere, erforschen die Psycho-Akustik heute; darunter Oldenburg mit seinem einzigen Graduiertenkolleg.

Den Ton auf dem Sektor „Geräuschkomfort“ gibt jedoch Japan an. Die KollegInnen der Kansai-Universität wären auf dem Akustik-Ticket schon fast einmal zum Mond geflogen – zu dem ideellen Mond, den WissenschaftlerInnen in der Geräuschforschung nur erreichen können: Eine Sprech- und Übersetzungsmaschine war in Arbeit. „Ich telefoniere mit meinem japanischen Kollegen und er antwortet mir auf deutsch“ – so sieht der Weltraum eines Psychoakustikers aus. „Allerdings muß der Klang stimmen.“ Eva Rhode