Staatsschutzschikane wegen Büchertisch

■ Zwei Berliner von Österreich mit einem einjährigen Einreiseverbot belegt

Berlin (taz) — Der Kreuzberger Buchhändler und Inhaber eines linken Infoladens, Hans Georg Lindenau, ist einiges gewohnt. Über 30mal wurde sein Laden in den vergangenen Jahren vom Staatsschutz durchsucht, „weil linke Gegenöffentlichkeit offenbar ein krimineller Tatbestand ist“, wie Lindenau meint. Was dem Kreuzberger samt einem Begleiter am vergangenen Wochenende an der deutsch-österreichischen Grenze widerfuhr, gibt freilich Lindenau ein Rätsel auf.

Auf dem Weg zu einer Veranstaltung in Wien, wo Lindenau einen Büchertisch aufbauen wollte, wurden er und sein Begleiter Peter N. am Grenzkontrollpunkt Passau-Achleiten angehalten. Binnen kurzer Zeit war das Auto leergeräumt und der bayrische Staatsschutz eingeschaltet. Ergebnis: Sämtliche Broschüren und Bücher, von der Radikal bis zu diversen Antifa-Publikationen, wurden beschlagnahmt, Lindenau und sein Begleiter elf Stunden lang festgehalten. Die österreichischen Grenzer wiesen sie schließlich zurück und belegten die beiden mit einem Einreiseverbot für die Dauer eines Jahres. Begründung: „Bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, daß der Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde.“

Des vorläufigen Höhepunkts des polizeilichen Eifers wurden Lindenau und N. freilich erst nach ihrer Rückkehr nach Berlin gewahr. Die Wohnung P.s war während des Aufenthalts an der Grenze von der Berliner Polizei durchsucht worden. Wegen „Verstoß gegen das Waffengesetz“, wie in einem Durchsuchungsprotokoll im Briefkasten zu lesen war. Die Durchsuchung blieb ohne Ergebnis. Bei Lindenau rückten die Beamten zur 37. Durchsuchung, so ein Augenzeuge, gleich mit einem Staatsanwalt an. Auch hier blieb die Durchsuchung ohne Ergebnis: Das Schloß an Lindenaus Buchladen widerstand dem höchstrichterlichen Begehren.

Lindenau entstand nach eigenen Angaben durch die Beschlagnahme der Bücher ein Schaden von 5.000 bis 10.000 Mark. Verantwortlich dafür dürfte niemand sein. Der an der Beschlagnahme beteiligte bayerische Staatsschutzbeamte Schweller interpretierte gegenüber der taz das Gesetz auf bayerische Art. „Die mitgeführten Broschüren“, sagte er, „sind verboten.“ Auf Nachfrage erklärte Schweller aber, kein Amtshilfeersuchen bei der Berliner Polizei begehrt zu haben. Die österreichischen Grenzer verweisen auf die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung und im übrigen auf die Sicherungsdirektion für Oberösterreich. Dort wollte man keine Stellungnahme abgeben. Die Berliner Polizei schließlich verweigert jede Auskunft über den Grund der Durchsuchungen. „Wahrscheinlich“, meinte ein Polizeisprecher, „fand das ganz unabhängig voneinander statt.“ Uwe Rada