Es ist nicht ehrlich, von Naturkosmetik zu reden

Während viele Produzenten aus steuerlichen Gründen abwandern, versucht sich ein Ex-VEB als Parfumier der Hauptstadt zu etablieren / Vermeintliche Öko-Labels meistens Augenwischerei / Zutaten stammen von Chemie-Giganten  ■ Von Christian Arns

Ein Blick in die Kosmetikabteilungen müßte die Herzen aller Umweltschützer höher schlagen lassen: Seit Jahren nimmt die Zahl der Naturkosmetika, der Bioshampoos oder Ökocremes beständig zu. Ein Stempel hier, ein gezeichnetes Blatt dort suggerieren dem Publikum, daß nur natürliche Zutaten zu einer Mixtur verrührt wurden, die die Haut und den daruntersteckenden Körper beinahe nur pflegen kann.

Künstlich hergestellte Stoffe sind nicht drin, das erwarten Kunden normalerweise, wenn sie sich für Naturkosmetik entscheiden, meinen die bundesweit organisierten Verbraucherzentralen. Damit allerdings irren die Käufer bei der weitaus überwiegenden Zahl der Produkte. Denn ein Großteil der Inhaltsstoffe ist nach dem Vorbild der Natur künstlich hergestellt oder enthält zum Beispiel synthetische Konservierungsstoffe.

Ärger kann das dem Hersteller nicht bereiten, denn noch immer gibt es keine einheitlichen Regeln, was überhaupt unter Naturkosmetik zu verstehen ist. Vom Hersteller Berlin Cosmetics wird der Begriff daher vollständig gemieden: „Das wäre in Anbetracht der industriellen Produktion wohl nicht so ehrlich“, erklärt Vertriebsleiter Bernd Winter: „Nur wer seine Zutaten selbst gesammelt hat und bei sich im Kochtopf verrührt, der macht das wirklich biologisch.“ Nach Winters Einschätzung ist der Trend wegen dieses offenkundig leeren Versprechens bereits gegenläufig, der Begriff „Naturkosmetik“ werde kaum noch benutzt.

Wer Chemie will, der kann sie auch haben

Genau damit jedoch wirbt ein anderer Berliner Hersteller: Padme Naturkosmetik. „Unsere Inhaltsstoffe sind ausschließlich natürliche Stoffe“, bekräftigt Inhaber Manfred Riemer seinen ökologischen Absolutheitsanspruch. Ganz decken sich die Aussagen über die Produktion in Bad Freienwalde und die über den Großvertrieb in Berlin jedoch nicht. Hergestellt würden die meisten Kosmetika im Auftrag von Schönheitsinstituten, „und wenn eins einen bestimmten Inhaltsstoff will, dann tun wir den rein“. Ohnehin steht Riemer auch den sogenannten naturidentischen Stoffen gar nicht so negativ gegenüber, wie der Name seiner Firma vermuten läßt: „Die sind gar nicht so verkehrt, denn da sind ganz bestimmt keine Pestizide drin, das kann sonst eine Gefahr sein.“

Gleichbleibende Qualität dank bekannter Moleküle

Auch Riemer von Berlin Cosmetics rechtfertigt die künstliche Produktion: „Wir kennen zum Beipsiel die Molekularstruktur von Rosenöl, also können wir diesen Stoff herstellen. Natürlich ist er dann nicht, dafür ist der Duft reiner, wir haben eine gleichbleibende Qualität.“ Daß die Hersteller von Kosmetika deshalb zur chemischen Industrie gehören, findet Riemer verständlich, aber ärgerlich: „Die Leute denken immer an höchst giftige Stoffe, die gefährlich für sie sind.“ Assoziiert werde der Begriff „Chemie“ immer mit den Giganten BASF oder Hoechst.

Und das sogar zu Recht: Die mit Abstand meisten Hersteller produzieren zum Beispiel die waschaktiven Substanzen in Seife oder Shampoos keineswegs selbst, sondern beziehen sie von eben diesen Großunternehmen, zu denen auch der Düsseldorfer Henkel-Konzern gehört. Diese sogenannte Grundstoffindustrie brachte die Branche in Verruf, weil sie ihre Produkte in Tierversuchen erforschte. „Die Zeiten sind vorbei“, behauptet Bernd Winter; und vorbei seien auch die Zeiten, in denen besorgte Katzenbesitzer in der Fabrik anriefen, weil sie ihren vermißten Liebling dort vermuteten.

Viele Produktionsorte stünden den Anrufern heute nicht mehr zur Auswahl. Zahlreiche Unternehmen sind bereits geschlossen, andere sind dabei. „Wir produzieren nicht nur keine Naturkosmetik, wir produzieren überhaupt nicht mehr“, so eine verständlicherweise kurz angebundene Mitarbeiterin eines ehemaligen Herstellers: „Wir packen hier nur noch zusammen.“ Steuerliche Abschreibungen seien in Berlin nicht mehr möglich, heißt es bei der Dressin GmbH. Dort wird nur noch gehandelt, nicht mehr hergestellt. Die Produktion finde ausschließlich in Kulmbach und Halle statt, so die Auskunft. „In Berlin geblieben sind vielleicht ein paar Kleinkrämer, die ein bißchen vor sich hin werkeln.“

Während der neue Status Berlins für die einen ein Grund zur Fabrikschließung ist, legt Berlin Cosmetics gar nicht kleinkrämerisch los. Der ehemalige VEB Berlin Kosmetik hat nach der Privatisierung durch die Treuhand seinen Namen verkürzt und die Schreibweise ins „Neudeutsche“ übertragen. Mit einem Edelgeschäft an der Friedrichstraße soll nun der Sprung zum Hauptstadtparfumier gelingen. In der neuen Fabrik in Marzahn arbeiten sechzig Mitarbeiter, und mit der Produktserie „Koivo“ bietet das Unternehmen für alle an, was es früher nur in den überteuerten Exquisitläden gab.

Gefahr für Allergiker so gering wie möglich halten

Wert legt Vertriebsleiter Winter darauf, daß alle Produkte dermatologisch getestet seien. Diesen Verweis dürfen nur Hersteller auf ihr Angebot drucken, denen in einem Hautgutachten bescheinigt wurde, daß ihr Produkt gut verträglich ist. „Gut 98 Prozent aller Allergien sind damit ausgeschlossen“, schätzt Winter. Und um auch die Restgefahr so klein wie möglich zu halten, sind auf den Packungen sämtliche Inhaltsstoffe aufgelistet. Wer also auf einen bestimmten Stoff überreagiert, kann diesen meiden.

Zahlreiche Tests angeblicher Naturkosmetika, verschiedener Sonnencremes und Duschgels, aber auch von Zahnbürsten oder Haarwuchsmitteln hat die Stiftung Warentest letztes Jahr in einem Sonderheft veröffentlicht. Der Sonderband kostet 9,80 Mark und kann bestellt werden bei der Stiftung Warentest, Lützowplatz 11-13, 10785 Berlin.