„War is over“ – Lee Millers Wut

„Deutschland ist ein schönes Land, gesprenkelt mit Dörfern wie Diamanten, befleckt mit Städten voll Schutt und bewohnt von Schizophrenen.“ So beginnt Lee Miller, Kriegsberichterstatterin von „Vogue“, ihre Reportage über Deutschlands Befreiung. Befreiung? Lee Miller sieht es anders. Man hatte die Deutschen doch unter großen Opfern unterwerfen müssen. „Aus welchen dunklen Winkeln ihrer dumpfen Gehirne nehmen sie die Vorstellung, sie seien befreit und nicht besiegt worden?“ fragt sie voller Haß. Sie war überall dabeigewesen: in München; auf dem Obersalzberg, als Hitlers Haus brannte; in Buchenwald, wo die Folterknechte um Gnade winselten, während nebenan noch die Leichenhaufen lagen. Sie hatte in Hitlers Wanne gebadet, in Eva Brauns Bett gelegen.

Lee Millers Berichte und Fotos aus dem Krieg hat Elefanten Press jetzt erstmals in einem Buch versammelt („Der Krieg ist aus“, 116 Seiten, 70 Fotos, geb., 48 Mark; mit einem biographischen Essay von Karin Wieland). Es ist das bewegendste und erhellendste Zeugnis, das man in diesen Tagen voller staatsmänischer Gedenkreden und infamer geschichtspolitischer Debatten über die Ereignisse vor 50 Jahren lesen kann. Die Wut der Lee Miller wiegt stärker als das Ressentiment unserer Revisionisten, die die Deutschen jetzt gern wieder in der Opferrolle dargestellt sehen möchten. Gerade die Wut macht Millers Bilder und Texte zu einem einzigartigen Medium historischer Erfahrung.jl

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