Die Schmidbauer kommen und gehen...

Bernd Schmidbauer wäre bereits der dritte Geheimdienstkoordinator einer Regierung Kohl, der vorzeitig abtreten muß, doch an der Arbeitsweise der Dienste ändert sich dadurch nichts  ■ Aus Bonn Andrea Dernbach

Das Repertoire-Stück „Geheimdienstskandal“ läuft seit Jahren nach einer festen Dramaturgie ab: Einer Enthüllung folgt öffentliche Empörung, dieser die Forderung nach Enthauptung des oder der Verantwortlichen – in aller Regel des Staatsministers im Kanzleramt, der für die Geheimdienste zuständig ist. Dessen Kopf rollt denn auch meist. Und dann ist wieder alles, wie es war. Warten auf den nächsten Skandal.

So kamen in den bisher 13 Jahren der Regierung Kohl schon zwei Geheimdienstkoordinatoren um Rang und Würden. Kohls Duzfreund Waldemar Schreckenberger mußte im Frühjahr 1989 gehen, weil er die Übersicht verloren hatte und sein Schreibtisch als das Bermuda-Dreieck des Kanzleramts galt.

Seinen Nachfolger Lutz Stavenhagen soll der ewige Ärger mit den Diensten gar das Leben gekostet haben: Stavenhagen flog nach nur zweieinhalb Jahren im Schleudersitz Geheimdienstkoordination, weil eine illegale Waffenlieferung des BND an ihm vorbeigelaufen war. Schon über die BND-Connection des DDR-Devisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkowski war er nicht im Bilde gewesen. Ein halbes Jahr nach seinem Rücktritt starb Stavenhagen mit erst 52 Jahren. Er habe zuletzt „gesundheitlich angeschlagen“ gewirkt, munkelt Munzingers Biographisches Archiv. „Offensichtlich hat ihn dieses Ende seiner politischen Laufbahn schwer getroffen.“

Stavenhagens Erbe, der frühere CDU-Umweltpolitiker Bernd Schmidbauer, zeigte zwar recht bald eine bis dahin unbekannte Identifikation mit den ihm anbefohlenen Geheimdiensten und erwarb sich so den Spottnamen „O08“. Wenn die Recherchen des Spiegel stimmen, wird das seinen Sturz aber nicht abwenden. Der Grünen-Innenpolitiker Rezzo Schlauch brachte das ungeschriebene Gesetz auf den Punkt: „Staatsminister Schmidbauer trägt die politische Verantwortung dafür, daß der Bundesnachrichtendienst so außer Kontrolle geraten konnte. Dabei spielt es keine Rolle, ob er davon wußte oder nicht. Schlimm ist beides.“ Das Schlimmste am Reigen der

Geheimdienst-Skandale ist wohl, daß sie mit dem Sturz der Schreckenbergers, Stavenhagens, Schmidbauers immer abrupt enden. So als sei es ein persönlicher Defekt der ewig ahnungslosen Kontrolleure, daß sie zur Kontrolle kaum in der Lage sind. Sind die Geheimdienste überhaupt zu beaufsichtigen? Waldemar Schreckenberger, als Jura-Professor in Speyer wieder zurück im bürgerlichen Leben, kann sich zu einem entschiedenen Ja nicht durchringen. „Das ist immer schwierig. Geheimhaltung liegt bei den Nachrichtendiensten in der Natur der Sache. Sie haben eine schreckliche Angst vor der Öffentlichkeit. Da gibt es natürliche Grenzen der Kontrolle.“ Daß „der Apparat macht, was er will“, das soll während der Israel-Panzer-Affäre schon der damalige Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Willy Wimmer (CDU), erkannt haben.

Dabei zeigt der Apparat meist wenig Unrechtsbewußtsein. Bezeichnend ein Kommentar des Vizepräsidenten im Bundesamt für Verfassungsschutz, Peter Frisch, zum berüchtigten Celler Loch. Ins Gefängnis von Celle hatten 1978 Verfassungsschutzleute ein Loch gesprengt, um einen Gefangenenbefreiungsversuch der RAF vorzutäuschen. Frisch verstand die Aufregung nicht. Da habe eben ein niedersächsisches Verfassungsorgan, der Verfassungsschutz, niedersächsisches Landeseigentum beschädigt. Wer mit der Axt seine Schrankwand zu Hause zertrümmert, darf das ja auch.

Eine Auflösung wäre aktueller denn je

Skeptisch über die Möglichkeiten der Kontrolle ist auch der FDP-Innenpolitiker Burkhard Hirsch, der seit Jahren in jener Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) sitzt, die den Geheimdienstmännern und -frauen auf die Finger sehen soll. Seit 1992 gibt es zwar ein neues Gesetz für die Arbeit der PKK, die jetzt Akten beim BND, beim Militärischen Abschirmdienst und dem Verfassungsschutz einsehen und Mitarbeiter vorladen kann, ohne die Behördenchefs zu fragen. Weitgehende, neue Rechte für den Bundestag also, deren „Bewertung“ man aber, so Hirsch vorsichtig, „erst abwarten muß.“

Spötter meinen schon lange, daß achtzig Prozent der Agenten- Arbeit Zeitunglesen sei, der Rest kriminell wie der Plutonium-Deal. Der Ex-Koordinator Schreckenberger bestätigt dies zumindest teilweise: „Tatsächlich stammen 80 Prozent des Materials der Dienste aus offenen Quellen. Die heutige Journalistenarbeit ist für den BND unverzichtbar.“ Die Politik erwarte eine Aufbereitung dieser Informationen: „Nur so können Sie Außenpolitik machen.“

Und weil das Kanzleramt (CDU) der Informationspolitik des zuständigen Auswärtigen Amts (FDP) nicht traut, ist die Zahl der BND-Residenturen im Ausland Schritt um Schritt auf über siebzig angewachsen.

Die Grünen sehen das Treiben von jeher mit Mißtrauen. „Abschaffung der Geheimdienste“, heißt ihre Forderung. Manfred Such, erster Vertreter der Grünen in der PKK, über die aktuelle Plutonium-Affäre: „Die alte Forderung von Bündnis 90/Die Grünen nach Auflösung der Geheimdienste wird durch diesen Fall aktueller denn je.“