Nachgefragt
: Schwierige Gespräche

■ Heide Marie Voigt organisiert Gespräche mit ZeitzeugInnen

Die Lehrerin Heide Marie Voigt lud schon zur Ausstellung „Wir hatten ja noch gar nicht angefangen zu leben“ über Jugend-KZs im Rathaus ZeitzeugInnen ein. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Bremen, 50 Jahre danach“, sucht sie wieder das öffentliche Gespräch.

Menschen verbinden mit dem Kriegsende doch sehr unterschiedliche Dinge. Was heißt das für die Begegnung mit Zeitzeugen?

Das macht das Gespräch sehr schwierig. Im letzten Jahr begann ein Mann davon zu erzählen, wie er in den Berliner Bombennächten überlebte. Der hatte aber auch Glück gehabt, weil er als junger Mensch einen Chor gefunden hatte, wo man unter den Fittichen eines mutigen Mannes auch mal den verboteten Brahms sang, als Zugabe, ohne zu sagen, wer der Komponist ist. Dieser Mann berichtete, wie er trotz allem Gutes fand. In der gleichen Runde aber saß ein Mann, der als Fürsorgehäftling im Jugend-KZ Mohringen schlimme Sachen erlebt hatte. Der konnte die positiven Erlebnisse des anderen kaum ertragen. In diesem Fall kann man die widersprüchlichen Erlebnisse nur so stehen und wirken lassen.

Wie kommen Zeitzeugen zu solchen Gesprächen?

Ich versuche, in einer Gruppe von Zeitzeugen ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, bevor sie in die Öffentlichkeit treten. Es muß klar sein, daß jeder seine Erlebnisse schildern darf. Aber viele Leute möchten nur einmal darüber sprechen, danach kommen sie nicht wieder. Für die ist unser Treffen wie ein Versuchsballon, mit dem sie sich Reaktionen auf ihre Erfahrungen einholen. Außerdem gibt es sehr viele Menschen, die auch gute Erinnerungen an beispielsweise die Hitlerjugend oder den BDM hatten – aber das paßt nicht in das offizielle Reden darüber.

Was interessiert sie an der Begegnung mit Zeitzeugen?

Entwickelt hat sich das aus der Frage an meinen Vater: Was hast Du eigentlich gemacht, im Dritten Reich? – und er nur wütend wurde. Da war ich schon 25 Jahre alt und hatte nicht ohne Grund so lange geschwiegen. Und ich habe von Schülern sehr viel gelernt, weil sie die Tabus wie Hitler und Hakenkreuz genau benennen konnten, aber andererseits die Begeisterung der vielen Menschen sinnlich genau erfassen. Die fragen natürlich, warum nur schlechte Miene zur Vergangenheit gemacht wird. Fragen: Eva Rhode

Die „Öffentlichen Rundgespräche mit Zeugen der Zeit“ beginnen am Donnerstag um 16.30 Uhr im Kolpinghaus.