Eine Geschichte der Willkür

Seit Jahren kämpfen zwei Iraner vergeblich um ihre Einbürgerung / Das iranische Konsulat schikaniert seine Landsleute, die deutschen Behörden schauen einfach weg  ■ Von Ute Scheub und Christoph Seils

Seit 20 Jahren lebt der Iraner Hussein Kepang* in Berlin, seit 17 Jahren ist er mit einer Deutschen verheiratet, seit vier Jahren kämpft er vergeblich um ein Stück Papier, das ihm die Einbürgerung möglich machen würde. Die Geschichte, die der 48jährige zu erzählen hat, ist eine Geschichte mieser Behördenwillkür. Leider ist er kein Einzelfall. „Die Iraner sind diejenige Volksgruppe, die die größten Probleme mit dem eigenen Konsulat hat“, weiß ein in solchen Dingen erfahrener Anwalt. „Aber die deutsche Seite nimmt das einfach nicht zur Kenntnis.“

Im Jahre 1988 stellte der Ingenieur für Lebensmitteltechnologie zum ersten Mal den Antrag, Deutscher zu werden. Weil er alle Voraussetzungen erfüllte, erhielt er 1991 eine sogenannte Einbürgerungszusicherung: Sobald die iranische Seite ihn ausgebürgert habe, erhalte er seine Urkunde. Der Beamte der Innenverwaltung riet Hussein Kepang noch, seinen Ausbürgerungsantrag per Einschreiben an das islamische Konsulat zu schicken.

Was er auch tat. Doch das teilte ihm mit, er müsse den Antrag persönlich einreichen. Was er auch tat, in Begleitung eines Zeugen. Doch das Konsulat verweigerte die Annahme des Antrags. Begründung: Es fehle eine Arbeitsbescheinigung. Kepang protestierte: Er sei arbeitslos, bekomme aber auch vom Arbeitsamt kein Geld, also könne er weder die eine noch die andere Art von Bescheinigung vorlegen. Vergeblich.

1992 und 1993 versuchte er noch zwei Mal, seinen Antrag persönlich abzugeben. Vergeblich. Wieder wollten die Beamten eine solche Bescheinigung haben. Ende 1993 versuchte er es noch mal schriftlich. Vergeblich. „Die wollten das Papier haben, weil sie genau wußten, ich kann das nicht liefern“, vermutet Kepang. „Bei anderen Iranern verlangen sie andere unmögliche Dinge.“ In der Hoffnung auf Bestechungsgelder?

Ende 1993 forderte das Konsulat den Ingenieur schriftlich auf, 23 Paßbilder von sich selbst und 15 Bilder seiner Ehefrau einzuschicken. Selbstredend in islamischer Bekleidung, mit Tschador. Der Hintergrund: Nach iranischem Recht gilt die ausländische Ehefrau eines Iraners ebenfalls als iranische Staatsbürgerin. Die Frau von Hussein Kepang hätte sich also als Iranerin islamischen Glaubens bekennen und einen iranischen Ausweis abholen müssen, damit sie und ihr Mann dann wieder gemeinsam ausgebürgert worden wären.

Unzumutbar, befand das Ehepaar. Mann und Frau schrieben einen Brief nach dem anderen. An den Innensenator, den Regierenden Bürgermeister, die Ausländerbeauftragte. Barbara John riet, das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt einzuschalten. Die Bonner Ministerien rieten, im Bemühen um die Ausbürgerung nicht nachzulassen.

Der Iraner beschwerte sich vor einigen Wochen bei der Senatsverwaltung für Inneres. Nach einer Bestimmung des Ausländerrechts, das wußte er, kann jemand zum Deutschen erklärt werden, wenn seine Ausbürgerung willkürlich zwei Jahre lang verweigert wird. Doch die Beamten der Einbürgerungsstelle glaubten ihm nicht. Wenn seine Ehe nicht beim Konsulat registriert sei, sagten sie ihm, dann werde die Verschleierungsprozedur auch nicht verlangt. Ergo: Er müsse seinen Ausbürgerungsantrag noch mal stellen und gegebenenfalls noch mal zwei Jahre auf Antwort warten. Inzwischen hat der Ingenieur beim Verwaltungsgericht Klage gegen die Innenverwaltung erhoben.

Ein ähnliches Schicksal ereilte Nussat F. Chan*. Wie Hussein Kepang lebt auch er seit 1977 in Deutschland, wie Kepang erhielt auch Chan 1991 die Einbürgerungszusicherung, wie dem Ingenieur wurde auch dem Software- Entwickler die Ausbürgerung verweigert. Zuerst wegen des „Bedarfs an Fachkräften und Spezialisten“ in seinem Geburtsland. Dann, weil er im Iran keinen Wehrdienst geleistet hat. Und nun, weil seine deutsche Ehefrau – wie die Gattin von Hussein Kepang – keinen Ausbürgerungsantrag unter Einhaltung der islamischen Kleiderordnung stellen wollte.

Jetzt hat die Ausländerbehörde dem 30jährigen noch vier Wochen Zeit gegeben, um nachzuweisen, daß er beim iranischen Konsulat einen formgerechten Antrag auf Entlassung aus der iranischen Staatsbürgerschaft gestellt hat. Andernfalls werde sein Einbürgerungsantrag kostenpflichtig abgelehnt. Wenn man annimmt, daß auch Beamte rechnen können, dann wissen sie, daß niemand in vier Wochen einen zweijährigen Militärdienst absolvieren kann. Nussat F. Chans Bemühungen, Deutscher zu werden, sind also faktisch gescheitert.

Zahlreiche weitere Fälle ließen sich erzählen. Mal hört man, daß das Konsulat nur Formanträge entgegennimmt, aber keine Formulare aushändigt. Mal wird berichtet, daß persönlich abgegebene Anträge nicht entgegengenommen, aber schriftliche nicht beantwortet werden. Dem Innensenator, der offiziell die Einbürgerung massiv befürwortet, kann dieser Sachverhalt nicht entgangen sein, aber er zieht keine Konsequenzen daraus. Im Gegenteil: Seine Pressestelle fügte den Willkürakten einen weiteren hinzu und erteilte der taz keine Auskunft. „Aus datenschutzrechtlichen Gründen“ könne zu Einzelfällen nichts gesagt werden, und „aus ordnungspolitischen Gründen“ dürfe die taz auch nicht mit dem Leiter der Einbürgerungsbehörde sprechen.

*Namen geändert