Helmut Kohl nötigt EU zum Schweben

Die EU-Kommission läßt sich wider besseres Wollen den Transrapid aufzwingen / Dabei wird gerade durch die Magnetschwebebahn ein Loch ins Verkehrsnetz geschnitten  ■ Aus Hamburg Florian Marten

Während die – oft übervollen – Intercitys zwischen Hamburg und Berlin die Strecke zeitweise im S-Bahn-Tempo abschleichen, zieht der Streit um eine Magnetzugalternative nach der Jahrtausendwende immer weitere Kreise. Der Kampf um das Projekt der Transrapidverbindung Hamburg–Berlin wird mittlerweile auch auf europäischem Parkett mit aller Härte ausgefochten.

Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann gelang es jetzt mit vereinten Kräften, eine weitere offizielle Watsche für das umstrittene Projekt in letzter Sekunde abzufangen. Zumindest vorläufig bleibt der Transrapid im Katalog der Transeuropäischen Netze (TEN) erhalten, nachdem die EU- Kommission die ersatzlose Streichung aus dem Papier vorgeschlagen hatte.

Derzeit überarbeiten europäische Bürokraten und Politiker auf allen Ebenen die Liste von Verkehrs-, Energie- und Umweltnetzen, die im Sommer endgültig verabschiedet werden soll. Den dort aufgeführten Projekten wollen sie möglichst viele bürokratische und finanzielle Schwierigkeiten aus dem Weg räumen, weil sie angeblich „wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedürfnissen“ entsprechen und als notwendig für ein weiteres Zusammenwachsen Europas gelten.

Nachdem es Kohl und Wissmann in der Frühphase der TEN- Planung gelungen war, die von Siemens, Thyssen-Henschel und der Deutschen Bank mit Macht geforderte Magnetbahn in die Kategorie der noch zu prüfenden Vorhaben zu drücken, gab es im Februar für sie eine böse Überraschung. Die EU-Kommission hatte bei Durchsicht des TEN-Konzeptes die Transrapidstrecke Hamburg– Berlin schlicht aus der Liste gestrichen. Auf einer Beamtensitzung des Ministerrates legte die deutsche Delegation dann heftigsten Protest ein: „Eine Projektmodifizierung durch die Kommission wird grundsätzlich abgelehnt.“ Es müsse bei dem ursprünglich ausgehandelten Projektemix bleiben. Der Einspruch hatte Erfolg, obwohl die EU-Verkehrsexperten statt des Schnickschnacks einer deutschen Experimentierstrecke lieber ein unverwässertes Bekenntnis zur Eisenbahn gesehen hätten. Schließlich ist der Transrapid nicht Teil eines Netzes, sondern ein isoliertes Verkehrsmittel auf einer einzigen Strecke in Deutschland – ohne unmittelbaren Anschluß an große Bahnhöfe.

Die deutschen Transrapid-Fans aber können jetzt erst einmal aufatmen. Denn eine offizielle Ablehnung durch die EU hätte das wackelige Projekt in der aktuellen Planungsphase empfindlich stören können.

„Die Transrapidplanung droht den Ausbau einer sinnvollen europäischen Schienenverbindung zu blockieren“, warnt Wilfried Sauter, Transrapidberater der deutschen Umweltverbände. Denn der Bahnausbau Hamburg–Berlin wird verzögert, eine Schnellstrecke vielleicht ganz verhindert. Zwar freut sich mancher Reisende schon heute über die nur noch 180 Minuten vom Hamburger Hauptbahnhof nach Berlin-Zoo – schließlich dauerte es zu deutsch-deutschen Zeiten 300 Minuten. Aber mit heutigen Hochgeschwindigkeitszügen wie dem deutschen ICE oder dem französischen TGV ließe sich die Strecke auf neuen Gleisen deutlich unter 60 Minuten schaffen, eine Zeit, die auch die Transrapidplaner nicht einmal auf dem Papier unterbieten wollen.

„Die Bundesbahn hat kürzlich erklärt, es sei möglich, bereits im Jahr 1998 mit ihren heute schon bestellten ICE-Zügen der neuen Generation in Neigetechnik Berlin und Hamburg mit einer Fahrzeit Zentrum zu Zentrum von 90 Minuten verbinden – und das auf den alten Trassen“, sagt Wilfried Sauter. Bleibt es aber bei der aktuellen Transrapidplanung, würde das Staatsunternehmen Deutsche Bahn AG es nicht wagen dürfen, diese Schnellverbindung tatsächlich zu verwirklichen, meinen Bahnexperten.