Lieber DAU statt GAU

Umweltbetriebsprüfungen schaffen einen neuen Markt für Öko-Gutachter / Beraterfirmen und der TÜV teilen sich das große Geschäft  ■ Von Christian Rath

Freiburg (taz) – Viele ökologisch orientierte Beratungsbüros hofften einst auf eine Goldgrube. Die EG-Verordnung über Umweltbetriebsprüfungen (Öko-Audits) sollte ihnen einen riesigen neuen Markt verschaffen. Von Euphorie ist jetzt – bei Inkrafttreten der Verordnung – allerdings nichts mehr zu spüren. Eher besteht die Angst, daß große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und die längst zu Consultingkonzernen gewachsenen Technischen Überwachungsvereine (TÜV) den neuen Markt weitgehend unter sich aufteilen.

Die Öko-Audit-Verordnung der EG will die Einführung von Umweltmanagementsystemen in Industriebetrieben fördern und so zu Ressourcenschonung, Energieersparnis und Abfallvermeidung beitragen. Die Teilnahme ist freiwillig, jedoch wird einem Unternehmen, das seine interne Umweltbetriebsprüfung durch externe Umweltgutachter verifizieren läßt, ein offizielles Gütesiegel verliehen. Das Unternehmen kann mit dem Zertifikat Imagewerbung betreiben, aber auch auf günstigere Versicherungsprämien und weitmaschigere Behördenaufsicht hoffen.

Andreas Burkhardt von Environmental Management Systems, einer Tochter des TÜV-Rheinland-Konzerns, schätzt den deutschen Öko-Audit-Markt auf insgesamt 500 Millionen Mark. Bis zu 20.000 Betriebe kämen mittelfristig als Interessenten in Betracht. In Branchenkreisen rechnet man damit, daß in diesem neuen Geschäftszweig mehrere hundert neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Wer UmweltgutachterIn werden kann, überläßt die Verordnung weitgehend nationalen Gesetzen der EU-Mitgliedsstaaten. Die Bundesregierung hat vor wenigen Tagen endlich einen Gesetzentwurf zur Gutachterzulassung vorgelegt.

Voraussetzung für die Zulassung als GutachterIn ist dem Entwurf zufolge grundsätzlich dreierlei: ein abgeschlossenes Hochschulstudium, dreijährige Berufspraxis und das Bestehen einer mündlichen Prüfung, in der Fachwissen über das Umweltmanagement nachgewiesen werden muß. Chancen haben nicht nur IngeneurInnen oder NaturwissenschaftlerInnen, auch MedizinerInnen und JuristInnen steht der Beruf offen. Neben den EinzelgutachterInnen können auch Gutachterorganisationen zugelassen werden. Die Kosten für die Zulassung stehen noch nicht fest. Die gerüchteweise gehandelten Summen von 10.000 Mark für eine Einzelzulassung und 50.000 Mark für Anerkennung einer Organisation werden im Bonner Umweltministerium bisher „weder bestätigt noch dementiert.“

Doch bevor es etwas zu begutachten gibt, müssen Umweltmanagementsysteme erst einmal eingeführt werden. Ein Großteil der neuen Jobs wird deshalb zumindest anfangs eher dem hierbei entstehenden Beratungsbedarf der Unternehmen geschuldet sein. Für diese externen Beratungstätigkeiten ist ebenso wie für eine Tätigkeit als unternehmensinterne UmweltbetriebsprüferIn keine besondere staatliche Zulassung erforderlich. Natürlich dürfen diejenigen, die ein Managementsystem einführen, hinterher nicht GutachterInnen in eigener Sache sein. Bei den TÜV-Konzernen hat man deshalb von vornherein getrennte Gesellschaften gegründet.

Wolfgang Lebender von der Freiburger Umweltconsulting „intact“ rät kleineren Beratungsfirmen zu langem Atem. Er vermutet, daß in der Anfangsphase vor allem die Goliaths der Beratungs- und Begutachtungsbranche zum Zuge kommen werden, weil zuerst eher die großen Unternehmen, zum Beispiel der Automobilbranche, das neue Instrument Öko-Audit nutzen wollen. „Die für uns interessanten kleinen und mittelständischen Betriebe werden wohl erst dann um Beratungsleistungen nachfragen, wenn die Großkonzerne ihren Zulieferern ebenfalls ein Umweltmanagement verordnen“, schätzt Lebender. Dies werde aber vielleicht erst in ein oder zwei Jahren der Fall sein. Noch schrecken jedenfalls viele Firmen vor den mit der Einführung des Umweltmanagements verbundenen Kosten zurück. Der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) beziffert diese auf 20.000 bis 100.000 Mark. Abhängig ist diese Summe allerdings nicht nur von der Größe des Betriebs, sondern auch von den spezifischen Vorleistungen des Unternehmens. Wer etwa, wie der Strumpfhosenhersteller Kunert, bereits regelmäßig Umweltbilanzen erstellt, hat nur noch geringen Umstellungsaufwand. Vorteile haben auch die rund 7.000 bundesdeutschen Unternehmen, die bereits Qualitätssicherungssysteme nach ISO-Norm 9000 eingerichtet haben. Denn Qualitäts- und Umweltmanagement arbeiten im Ansatz recht ähnlich.

Da zertifizierungswillige Firmen nach Inkrafttreten der EU- Verordnung Anspruch auf eine Begutachtung haben, das entsprechende Bundesgesetz aber frühestens im Sommer verabschiedet sein wird, haben einstweilen die Länder die Gutachterzulassung provisorisch in die Hand genommen. Sie bedienen sich dabei der für diesen Zweck gegründeten wirtschaftsnahen „Deutschen Akkreditierungs- und Zulassungsgesellschaft für Umweltgutachter“ (DAU) in Bonn. Diese kann erst nach Verabschiedung des Zulassungsgesetzes von einem Umweltgutachterausschuß überwacht werden, der mit Vertretern von Staat, Wirtschaft, Gewerkschaften und Umweltverbänden besetzt ist. Diese Konstruktion ist ein Kompromiß nach langwierigen Verhandlungen im Februar. Der zugrunde liegende Konflikt zwischen Umwelt- und kurzfristigen Wirtschaftsinteressen ist auch der Grund, weshalb der deutsche Gesetzgebungsprozeß in Sachen Öko-Audit so in Verzug geraten ist.