„Heil den Skinheads mit Schlips“

Neonazis rufen zur Teilnahme am Kongreß des rechten Studienzentrums Weikersheim auf / Steffen Heitmann einer der Referenten / SPD fordert sofortige Überprüfung der Förderpraxis  ■ Von Bernd Siegler

Im rechtsextremen Mailbox-System „Thule-Netz“ rufen Neonazis zur Teilnahme am Kongreß des Studienzentrums Weikersheim im Hambacher Schloß auf. Dort haben sie dann am 6. und 7. Mai die Chance, unter anderen mit dem sächsischen Justizminister Steffen Heitmann (CDU) oder dem FAZ- Redakteur Eckhard Fuhr zu plauschen oder sich mit führenden Köpfen rechtsextremer Burschen- und Landsmannschaften auszutauschen. „Spannende Vorträge gibt's auch und das zu subventionierten Preisen“, preist der Mailbox-User „Dudelsack“ die Veranstaltung an und verabschiedet sich mit einem „Heil den Skinheads mit Schlips“.

Zumindest mit den „subventionierten Preisen“ will Gerd Weimer, parlamentarischer Geschäftsführer der baden-württembergischen SPD, jetzt Schluß machen. Er fordert eine „genaue Überprüfung“ der Verwendung der Landeszuschüsse an das Studienzentrum. Mit Summen zwischen 30.000 und 40.000 Mark hatte das Wissenschaftsministerium die Tagungen des SZW in den Vorjahren unterstützt. Dazu kamen seit 1988 über 450.000 Mark Bundeszuschüsse, vorwiegend aus dem Etat des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung.

1979 wurde das „Studienzentrum Weikersheim“ (SZW) mit Spenden aus der Industrie gegründet. Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger, der 1978 wegen bekanntgewordender Todesurteile in seiner Zeit als NS-Marinerichter zurücktreten mußte, wurde Präsident, der rechtskonservative Philosophieprofessor Günter Rohrmoser Chefdenker des Zentrums und Albrecht Jebens, Autor in rechtsextremen Postillen wie Zeitenwende, Geschäftsführer. Sie hatten es sich zur Aufgabe gemacht, der „politisch, geistigen und moralischen Knochenerweichung“ innerhalb der Unionsparteien den Garaus zu machen und den vermeintlich linken Mainstream in der bundesdeutschen Gesellschaft zu durchbrechen.

Neben honorigen Persönlichkeiten aus Politik, Militär und Klerus wirken im Kuratorium des SZW sowie als Referenten bekannte Rechtsextremisten mit: Klaus Hornung, der in Schriften des rassistischen „Schutzbund für das deutsche Volk“ veröffentlicht, Wolfgang Strauß, festes Redaktionsmitglied der vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachteten Zeitschrift Nation und Europa, Hans-Ulrich Kopp, Mitglied der stramm rechten Münchner Burschenschaft „Danubia“ und lange Jahre Redaktionsmitglied der Jungen Freiheit, und der englische Rechtsextremist Michael Walker, Herausgeber des Scorpion und Autor für Europa vorn special.

Die Tagung wird von Filbinger eröffnet

Trotzdem besitzt man im Bundesinnenministerium „keine verfassungschutzrelevanten Erkenntnisse“ über das Studienzentrum, in dem auch schon der CDU/CSU- Fraktionschef im Bundestag, Wolfgang Schäuble, aufgetreten ist. Der vom SZW jetzt zusammen mit der Hans-Filbinger-Stiftung organisierte Kongreß steht unter dem Motto „Aufbruch und Erneuerung – Die Freiheit von Wort und Geist erkämpfen“. Die Tagung wird von Filbinger eröffnet. Dann stehen die Referate von Steffen Heitmann, dem gescheiterten Bundespräsidentenkandidaten und sächsischen Justizminister, zum Thema „Geistesfreiheit oder ,political correctness‘“ und von FAZ-Redakteur Fuhr zum Thema „Von der hysterischen zur selbstbewußten Nation“ an.

Den Sonntag beginnt der Stuttgarter Oberkirchenrat Hartmut Jetter („Ist die Meinungsfreiheit noch gewährleistet?“). Auf dem anschließenden „Jugendforum“ tritt der Chef der „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“, Rüdiger Stolle, auf. Deren Publikation Fritz wird derzeit vom Verfassungsschutz wegen rechtsextremer Tendenzen beobachtet. Stolle zur Seite steht Martin Hochstöger von der rechten Burschenschaft „Gothia- Innsbruck“. Die Moderation hat der Publizist und Welt-am-Sonntag-Redakteur Heimo Schwilk übernommen.

SPD-Mann Weimer sieht den Kongreß aufgrund der Referentenliste in einem engen Zusammenhang mit dem Aufruf rechtskonservativer Politiker und Publizisten zum 8. Mai. Auch den hatte Heimo Schwilk initiiert, ebenso wie den „Berliner Appell“, in dem die Unterzeichner gegen eine angebliche politische Verfolgung von Konservativen in der Bundesrepublik zu Felde zogen. In beiden Fällen war auch Rainer Zitelmann, Cheflektor des Ullstein-Verlags und nach revisionistischen Artikeln geschaßter Chef der Welt-Beilage „Geistige Welt“, mit von der Partie. Zitelmann war zuletzt mit einem Papier zur rechten Positionierung der FDP ins Gerede gekommen, das er zusammen mit dem ehemaligen Bundesanwalt Alexander von Stahl verfaßt hatte. Zusammen mit Alfred Dregger, Ernst Nolte und Manfred Brunner bestreiten Stahl, Schwilk und Zitelmann am 7. Mai die Gegengedenkveranstaltung zum 8. Mai in der Münchner Philharmonie.

Aufgrund des aktuellen Kongesses und der Werbung in der rechtsextremen Mailbox warnte Weimer den baden-württembergischen Wissenschaftsminister Klaus von Trotha davor, die Aktivitäten des Studienzentrums „immer weiter aus dem Ruder laufen zu lassen“. Er erinnert an die Zusage Trothas vom letzten Jahr, dem Landtag eine genaue Information über die Förderpraxis des Landes für das SZW zu geben. Doch Trotha hat keine Eile, sein Interesse zur Überprüfung der rechten Denkfabrik Weikersheim hält sich in Grenzen. Der Wissenschaftsminister sitzt selbst im Kuratorium des Studienzentrums und trat bereits als Festredner bei entsprechenden Kongressen auf.