„Die Normalität sind wir“

■ Über 50 lesbische und schwule Tänzer- und SportlerInnen aus Bremen und Oldenburg kämpften auf den EuroGames in Frankfurt um die Titel der Europameisterschaften

Tosender Applaus empfängt die beiden jedesmal, wenn sie an den Tischen vorbeitanzen: Die Stimmung auf dem Osterball der „EuroGames“ ist auf dem Siedepunkt. Das Tanz-Finale der Profis und TurniertänzerInnen begeistert die proppenvolle Halle. Die Bremerin Doris Kern lächelt bravourös ins internationale Publikum, während ihre Beine in Latein-Schrittkombinationen wirbeln, als hätte sie in ihrem Leben nichts anderes getan. Mit ihrer Tanzpartnerin und –lehrerin Silvia Wetzel behauptet sie sich gegen drei Männerpaare – und erringt den dritten Platz bei diesen inoffiziellen schwullesbischen Europameisterschaften, die über Ostern in Frankfurt/Main ausgetragen wurden. Silvia tanzt übrigens erst seit wenigen Monaten – that's the mind of EuroGames.

Über 2.000 lesbische und schwule SportlerInnen aus 13 Ländern waren bei einem der größten europäischen Sportspektakel dieses Jahres dabei – mehr als 50 von ihnen kamen aus Bremen und Oldenburg, tanzten, schwammen und kickten um Bembel, Medaillen und Akzeptanz in der Heterowelt. Gleich mit zwei Teams waren die lesbischen Basketballerinnen aus Bremen angereist – begeistert über den Empfang auf dem Frankfurter Römerberg, wo sich üblicherweise die deutschen Nationalkicker nach Weltmeisterschaften auf offiziellen Empfängen tummeln. Die EuroGames stehen dagegen allen offen – Homos und Heteros, Spitzencracks und FreizeitsportlerInnen. „Mit einem so hochklassigen Turnier haben wir allerdings doch nicht gerechnet“, so die Basketballerin Britta: Die BremerInnen wurden von den vielen Ligaspielerinnen in den anderen Teams glattweg vom Parkett geputzt und belegten die letzten Plätze –„wir haben allerdings jede Menge Anfeuerung bekommen.“ Sportlicher Ehrgeiz ist eben noch lange nicht alles auf einer solchen Veranstaltung. „Mir hat es total gut getan, so viele Lesben und Schwule so selbstverständlich hier ihren Sport machen zu sehen, ohne dieses ewige Versteckspielen“, sagt Britta: „Die Normalität sind wir.“ Genau dieses Versteckspielen galt allerdings nicht nur für die lesbischen Kickerinnen aus dem Nationalteam, die für den Fall einer Teilnahme an den EuroGames den Rauswurf aus der Fußball-Nationalfrauschaft angedroht bekamen (vgl. taz, 18.4.), die meisten prominenten SportlerInnen blieben aus Angst vor Repressalien ihrer Sportverbände fern.

Das gilt auch für den Deutschen Tanzverband, wie die Bremerin Silvia Wetzel, Ex-Turniertänzerin und Wertungsrichterin, erklärt: „Das ist ein sehr konservativer Verein. Auch wenn sehr, sehr viele Homosexuelle im –normalen– Turnierbetrieb starten, hat man sich an die Regeln zu halten. Und das bedeutet: Man trägt seine Homosexualität nicht zur Schau.“ Vier Monate lang haben die beiden Bremerinnen für die EuroGames trainiert – und ihren eigenen Fanclub gleich mitgebracht: Über 20 Frauen vom „Bremer Frauentanzkreis“ sind nach Frankfurt mitgereist, um die beiden lauthals zu unterstützen. Doch geärgert haben Silvia und Doris sich doch: „Wir finden es unfair, daß hier auch gegengeschlechtliche Paare mittanzen dürfen“, also ein Schwuler mit einer Lesbe, ärgert sich Silvia Wetzel. „Wir trainieren unter erschwerten Bedingungen, dürfen nicht an DTV-Turnieren teilnehmen und müssen uns unsere Räume erst erkämpfen. Die gehen doch sonst als Heteropaar durch und genießen alle Vorteile.“ Ehrgeiz geht also auch an Homosexuellen nicht vorbei, auch wenn das dem Prinzip des „Wie du mir, so ich Dir“ eher entspricht als dem Ideal der für alle offenen Spiele. Während des tosenden Jubels auf dem Osterball war auch das schnell vergessen, und selbst eine prominente professionelle Tänzerin vom anderen Ufer lobte das „hohe Niveau“ der schwullesbischen Veranstaltung.

Während Silvia und Doris mühelos auf jeder Tanzveranstaltung eine gute Figur machen, haben sich die Basketballerinnen noch eine Menge Training vorgenommen. Denn nächstes Jahr geht es zu den EuroGames nach Berlin, und 1998 werden die Gay Games, die im letzten Jahr über 15.000 SportlerInnen nach New York lockten, quasi vor der Haustüre stattfinden: In Amsterdam soll es für die Basketballerinnen wenigstens mit einem Sieg klappen.

Susanne Kaiser