Politische Verfolgung anerkannt

■ Hamburger Flüchtling erstreitet Grundsatzurteil

Hamburg (taz) – Die Rechtsunsicherheit für die in Deutschland lebenden syrisch-orthodoxen Christen ist vorbei: Das Bundesverwaltungsgericht entschied jetzt in dritter Instanz, daß die christliche Minderheit in der Türkei als Gruppe – und nicht als Einzelpersonen – verfolgt wird. Erstritten wurde das Grundsatzurteil von dem Hamburger Flüchtling Binyamin Aykurt. Schon zweimal war der syrisch-orthodoxe Christ aus der Region Tur-Abdin von Gerichten auf Landesebene als politisch verfolgt anerkannt worden.

Doch die Entscheidungen wurden jeweils vom Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten angefochten. „Mit diesem Grundsatzbeschluß des Bundesverwaltungsgerichts müßten auch alle noch schwebenden Asylverfahren positiv entschieden werden“, erläutert Aykurts Rechtsanwältin Sigrid Töpfer die Tragweite der Entscheidung, die am Montag dieser Woche zugestellt wurde. Zwar sei es nicht direkt der türkische Staat, der die Minderheit bedrohe, so das Gericht in seiner Begründung, aber „er ist nicht bereit, den syrisch-orthodoxen Christen Schutz zu gewähren“. So würde die türkische Regierung Verbrechen gegen Christen nicht ernsthaft verfolgen, um die „bereits gefährdete Loyalität der Hisbollah, der Großgrundbesitzer und der Dorfschützer“ in dem auch von Kurden bewohnten Gebiet Tur-Abdin zu erhalten. Mit politischen Morden, Entführungen und massiver Gewaltandrohung haben islamische Fundamentalisten und Feudalherren bereits erreicht, daß von den einst 30.000 Christen nur noch etwa 2.000 in Tur-Adbin übriggeblieben sind. Das Bundesverwaltungsgericht machte außerdem klar, daß auch eine Flucht innerhalb der Türkei nicht möglich sei, da „am Ort der angenommenen Fluchtalternative keine Nachteile und Gefahren drohen dürfen“. Im Klartext: Auch in Istanbul kann sich die christliche Minderheit nicht vor Verfolgung sicher fühlen, von der sozialen Verelendung ganz zu schweigen. Silke Mertins