Wenn Ämter sich um Frauen sorgen

Diskriminierung oder bürokratisches Ungeschick? Kritik an Merkblättern, mit denen Standesämter heiratswillige Frauen vor Ehe mit Mohammedanern warnen und Ehevertrag fordern  ■ Von Nele Haring

Wenn in Deutschland ein deutsches Paar heiraten will, dann ist das eine ziemlich unkomplizierte Sache. Eine Ehe zwischen einer deutschen und einer nichtdeutschen Person unterliegt dagegen einem weitaus schwierigeren bürokratischen Prozedere. Da müssen im Herkunftsland des nichtdeutschen Partners teilweise unter großen Schwierigkeiten diverse Papiere besorgt werden, beglaubigt ins Deutsche übersetzt.

Für eine Ehe zwischen einer deutschen Frau und einem mohammedanischen Mann gibt es dann noch ein „Extra“: Bereits beim ersten Informationsgespräch wird der Frau ein Merkblatt in die Hand gedrückt: „Ein Mohammedaner kann mit vier Frauen gleichzeitig verheiratet sein. Er ist berechtigt, seine Frau ohne Angabe von Gründen zu verstoßen. Der Ehemann kann seiner Frau ein Verlassen der ehelichen Wohnung ohne seine Erlaubnis verbieten.“ Außerdem könne die Frau nur in seltenen Ausnahmefällen die Scheidung verlangen, könne ihren Mann nicht beerben, und mit einem Sorgerecht für gemeinsame Kinder habe sie auch nicht zu rechnen. Der Text endet mit der dringenden Empfehlung, noch vor der Hochzeit einen Ehevertrag abzuschließen. Der Kreuzberger Standesamtsleiter Heribert Johst schreibt den Ehevertrag dann auch gleich auf die Liste der Papiere, die zur Eheschließung unbedingt erforderlich sind. Diese Auflage kann er zwar überhaupt nicht machen, aber sein Anliegen ist ihm ernst.

„Wir verteilen das Merkblatt, weil islamisches und deutsches Recht nicht übereinstimmen“, erklärt Johst. „Und schließlich vertreten wir die Interessen der deutschen Frau gegenüber ihrem ausländischen Partner.“ Ob er denn schon einmal persönlich von einem Paar gehört habe, das nach der Hochzeit in rechtliche Schwierigkeiten geraten sei? Nein – dem Standesbeamten ist außer dem, was er der Presse entnimmt, „amtlicherseits nichts bekannt“.

Alles nur Fürsorge

Derart besorgt um die Interessen von Frauen zeigt sich das Standesamt nicht in allen Fällen. Deutsche Paare können auf Anfrage ein Beratungsgespräch über einen Ehevertrag bekommen. Der Anstoß muß aber von ihnen kommen – ein Merkblatt gibt es dafür nicht. Und mit Sicherheit wird die Frau nicht darüber aufgeklärt, daß nach deutschem Recht die Vergewaltigung in der Ehe nicht strafbar ist.

Warum also warnt das Standesamt deutsche Frauen vor ihren mohammedanischen Zukünftigen? Mit Betty Mahmoodys Buch „Nicht ohne meine Tochter“ hat es jedenfalls nichts zu tun, denn das Merkblatt gibt es bereits seit 1967. Und die bundeseinheitliche Dienstanweisung, aufgrund derer es formuliert und verteilt wird, stammt gar aus dem Jahr 1956 – so erzählt es jedenfalls Wolfgang Quandt, Leiter der Abteilung Personenstandswesen beim Innensenat.

Quandt ist für die Formulierungen zuständig. Daß das Merkblatt Frauen einschüchtern oder sie auch schlicht verärgern könnte, glaubt er nicht. Bisher seien schließlich keine Klagen gekommen. Daß die Frauen wenig zu offener Kritik neigen, solange die Aufenthaltsfrage ihres zukünftigen Mannes noch nicht geklärt ist, zieht Quandt nicht in Betracht. Seine Mission ist die vorsorgende Aufklärung von seiner Meinung nach unwissenden Frauen: „Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, was wir hier alles erleben. Da fällt den Frauen kurz vor einer Reise ins Heimatland ihres mohammedanischen Mannes auf einmal ein, sich nach der Sorgerechtsfrage für die gemeinsamen Kinder zu erkundigen. Und dann ist es natürlich zu spät.“

Aber genau das steht in dem Merkblatt überhaupt nicht drin: daß nämlich islamisches Recht erst dann wirksam wird, wenn das Paar beschließt, im Heimatland des Mannes zu leben, und daß für eine Ehe, die in Deutschland vor einem deutschen Standesbeamten geschlossen wird, zunächst einmal deutsches Recht gilt. Außerdem fehlt der Hinweis darauf, daß es „islamisches Recht“ nicht gibt, sondern daß verschiedene islamische Länder es unterschiedlich auslegen.

„Wir können doch schließlich keine Abhandlung über den Islam verteilen“, verteidigt Quandt diese Auslassungen. „Und für weitere Informationen nennen wir die unten angeführten Adressen.“

Das stimmt. Das Merkblatt führt drei Adressen auf. Und zwar die klassische staatlich-kirchliche Mischung: Erstens das Bundesamt für Auswanderung in Köln, zweitens den Verein für internationale Jugendarbeit (Träger ist die evangelische Kirche) und drittens das Raphaels-Werk (eine Einrichtung der katholischen Kirche).

Veraltete Adressen

Besonders nützlich sind diese Hinweise nicht. Erstens ist das Merkblatt so veraltet (die aktuelle Auflage stammt aus dem Jahr 1983), daß die Adressen nicht mehr stimmen. Das Raphaels-Werk ist schon vor zehn Jahren umgezogen. Zweitens sind die genannten Stellen für Beratungen über einen Ehevertrag nur bedingt kompetent. Das Bundesamt zum Beispiel verschickt bloß Merkblätter über die betreffenden Länder, das Raphaels- Werk schickt die Frauen zum Verein für Internationale Jugendarbeit, und der wiederum verweist in vielen Fällen auf die Beratungsstelle für binationale Ehen und Partnerschaften, genannt IAF. Es melden sich aber nicht besonders viele Frauen.

Deshalb scheint auch von anderer Seite niemand das Merkblatt besonders ernst zu nehmen. Bei der Ausländerbeauftragten ist zwar bekannt, daß es existiert, große Bedeutung wird ihm aber nicht beigemessen. Die Kreuzberger Ausländerbeauftragte Hildegard Josten dagegen hatte überhaupt keine Ahnung, daß es das Merkblatt gibt. Das ist insofern merkwürdig, als Heribert Johst betont, zwischen Standesamt und Ausländerbeauftragter bestehe eine Zusammenarbeit in allen Fragen.

Tatjana Lima-Curvello von der IAF hatte das Merkblatt auch noch nie gesehen, findet aber grundsätzlich richtig, daß es verteilt wird: „Ich denke schon, daß es wichtig ist, darüber aufzuklären, was für Konsequenzen es haben kann, jemanden aus einem anderen Rechtskreis zu heiraten – zumal wenn man die Ehe dann noch in einem anderen Land führt. Die Frage ist nur, ob das nicht auch etwas weniger tendenziös formuliert werden könnte.“

Daß das Merkblatt völlig veraltet ist, hat Johst noch nicht wahrgenommen. Ein bißchen peinlich ist es ihm schon, Einwände aber wischt er vom Tisch: „Da müßte man mal überlegen, wie lange es den Koran gibt, und dann relativiert sich das wieder.“