Die A 20 darf Naturschutzgebiete zerstören

■ Die EU-Kommission ist trotzdem stolz, das Schlimmste verhindert zu haben

Brüssel (taz) – Die geplante Ostseeautobahn A 20 von Lübeck über Stralsund nach Stettin zerschneidet zwar auch nach Ansicht der EU-Kommission in Brüssel zwei als besonders wichtig ausgewiesene Naturschutzgebiete, sie darf aber trotzdem gebaut werden. Mehrere Monate lang hatte die Kommission diese Frage geprüft. Jetzt wertet es die Umweltdirektion schon als Erfolg daß die anvisierte Trassenführung erheblich von den Plänen des deutschen Verkehrsministers Matthias Wissmann abweicht.

Ein generelles Verbot der Ostseeautobahn stand in Brüssel nie zur Diskussion. In der am Donnerstag vorgelegten Stellungnahme begründet die Kommission die wirtschaftliche Notwendigkeit damit, daß Mecklenburg-Vorpommern als strukturschwaches Gebiet mit hoher Arbeitslosigkeit nicht die stärkere Einbindung in den Binnenmarkt verweigert werden könne. Mit Hinweis auf die sogenannte „Habitat“-Richtlinie, die seit Juni 1994 in Kraft ist und alle wild lebenden Tiere und Pflanzen unter Schutz stellt, protestierten die Brüsseler Umweltaufseher vor allem gegen die von Wissmann hartnäckig verteidigte Trassenführung mitten durch das Naturschutzgebiet Peenetal.

Christdemokrat Wissmann hatte sogar versucht, den Personalwechsel in der Kommission zum Jahreswechsel auszunutzen und die kürzeste Strecke selbstherrlich durchzupeitschen. Die neue Kommission sollte vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Erst als er einsah, daß die neue Umweltkommissarin Ritt Bjerregaard das nicht hinnehmen würde, stimmte er stillschweigend der geforderten zehn Kilometer längeren Variante zu.

Beim zweiten heiklen Punkt, dem Abschnitt bei Damgarten, wo die A 20 die Täler von Trebel und Recknitz schneidet, einigte sich die Kommission mit den deutschen Behörden auf die Linienführung über Triebsees. Zwar werden damit wichtige Hoch- und Niedermoore zerstört, doch die aus Sicht der Verkehrsplaner bevorzugte Richtenbergtrasse hätte noch größeren Schaden angerichtet, weil dort Adler- und Greifvögel ihr Revier verloren hätten. Alois Berger