Alles, was brummt und fliegt

Die Daimler-Benz Aerospace saniert ihre tiefrote Bilanz mit neuen Waffen für Bundeswehreinsätze außerhalb Deutschlands Grenzen  ■ Von Jürgen Grässlin

Einsam hat die Daimler-Benz Aerospace (Dasa) die Führungsrolle im militärisch-industriellen Komplex der Bundesrepublik Deutschland inne. Mit dem Aufkauf von Messerschmitt-Bölkow- Blohm (MBB), der Telefunken Systemtechnik und der Motoren- und Turbinen-Union (MTU) sowie den Mehrheitsbeteiligungen an Dornier, AEG und Fokker avancierte die Dasa zum zweitgrößten europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern hinter der British Aerospace. Mit einem Rüstungsanteil am 17-Milliarden-Umsatz von etwa 25 Prozent ist sie weltweit die Rüstungsschmiede Nummer zwölf – weit vor der Siemens AG, die als nächster deutscher Konzern in der Rangliste auf Platz 50 folgt. Dem Auftraggeber Bundesverteidigungsministerium bleibt bei Neubeschaffungen ziviler wie militärischer Flugzeuge nur ein Hauptauftragnehmer zur Auswahl: die Daimler-Benz Aerospace.

Dennoch drohte der Dasa Anfang der neunziger Jahre eine existentielle Krise. Nachdem sich der Warschauer Pakt am 1. Juli 1991 aufgelöst hatte, sah sich die Dasa- Spitze mit sinkenden Investitionen im Verteidigungsetat konfrontiert. Rote Zahlen waren unausweichlich. In der neuesten Bilanz von 1994 weist die Dasa, bis Ende letzten Jahres noch Deutsche Aerospace genannt, abermals einen katastrophalen Umsatzeinbruch von 1,2 Milliarden Mark aus. Anstatt die Krise als Chance zu begreifen und die notwendigen Maßnahmen zur Umstellung auf zivile Produktion einzuleiten, forcierte der Dasa-Vorsitzende Jürgen Schrempp die Rüstungsexporte – auch an menschenrechtsverletzende Regime wie Indonesien und die Türkei.

Bundeswehr kauft wieder ein wie verrückt

Nach den Jahren sinkender Investitionen der Bundeswehr leuchtet nun wieder Licht am Ende des Tunnels. Der Münchener Waffenschmiede winken bis zur Jahrtausendwende Milliardenaufträge in bislang unerreichtem Umfang. Sämtliche Konversionsbemühungen bleiben danach Makulatur. Gerade der Bereich der Neuanschaffungen von Großgeräten für das Soldatenhandwerk soll in den kommenden Jahren massiv aufgestockt werden: 1995 werden 10,3 Milliarden Mark aufgebracht. Bis zum Jahr 2001 steigt dieser Betrag bis auf 14,7 Milliarden Mark im Jahr.

Grund für die Milliardenzuwendungen, die zu mehr als der Hälfte der Daimler-Benz Aerospace zugute kommen werden, ist die Neudefinition der Aufgaben der Bundeswehr. Weil nach einer Richtlinie des Verteidigungsministeriums deutsche Soldaten künftig auch die Rohstoffversorgung Deutschlands „im Rahmen einer gerechten Weltordnung“ sichern sollen, werden „Krisen-Reaktionskräfte“ (KRK) geschaffen. Um schnell und weltweit zuschlagen zu können, wird die Bundeswehr mit einer völlig neuartigen Generation von Waffensystemen bestückt. Ob Panzer, Minen und sogar Minenräumpanzer, ob Luftverteidigung oder die Kommunikation unter den Truppenteilen – die Dasa ist immer maßgeblich mit dabei.

Am tiefsten muß der Steuerzahler jedoch für die Aufrüstung der Luftwaffe in die Tasche greifen. Die Beweglichkeit und Versorgung der Krisenreaktionskräfte wird in Zukunft durch den „Unterstützungshubschrauber“ (UHU) sowie den Transporthubschrauber NH 90 verbessert. Ab dem Jahr 2003 soll das neue Transportflugzeug Future Large Aircraft (FLA) mit der „Fähigkeit des schnellen und weiträumigen Lufttransports“ bei den KRK zum Einsatz kommen. Hier kann die Dasa ihr Know-how aus dem Airbus-Bau einbringen. Zumindest im Rüstungsbereich sind beim Daimler- Konzern die vielgerühmten Synergie-Effekte klar zu sehen.

Allein die Beschaffung des abgespeckten Jagdflugzeugs „Eurofighter“ soll laut Bundeswehrplanung ab der Jahrtausendwende eine knappe Milliarde Mark im Jahr kosten. Während offiziell die Parole vom Jäger für den Schutz des deutschen Territoriums ausgegeben wird, lassen Militärs in enger Zusammenarbeit mit der Dasa einen neuen Militärjet für Kriegseinsätze außerhalb der Region entwickeln. Stolz hatte die Dasa schon in einem Werbeschreiben für den Jäger 90 verkündet, „Kampfeinsätze Out of Area werden keine Änderungen der Flugzeugauslegung erfordern.“

Dabei wollte Volker Rühe den ehemaligen Jäger 90 gar nicht mehr anschaffen: „Der Jäger ist tot“, verkündete er vollmundig im August 1992. Gerade einmal vier Monate brauchte der Daimler- Konzern, bis er Rühe wieder auf Linie hatte. Im Dezember 1992 einigte sich der Verteidigungsminister mit den drei Partnerstaaten auf den Bau eines sogenannten „neuen“ Jagdflugzeugs mit dem Namen „Eurofighter 2000“. Allein die Entwicklungskosten für den Vogel belaufen sich auf rund 7,6 Milliarden Mark, welche die Dasa fast ausschließlich kassiert.

Derweil fordert in der Bundesrepublik ein breites Bündnis sozialer und friedenspolitischer Organisationen das Ende des überteuerten „Jäger light“. Der Ausstieg aus dem Projekt wäre nach der Entwicklungsphase ohne finanzielle Regreßansprüche möglich. Sowohl im Haushalts- als auch im Verteidigungsausschuß des Bundestags verfügt die Regierungskoalition über die Mehrheit von nur einer Stimme. Ein einziger abrüstungsorientierter Palamentarier könnte den Ausschlag geben.

Die Spenden an die Parteien fließen kräftig

Doch der Druck aus den Konzernzentralen von Daimler-Benz in Stuttgart-Möhringen und von der Dasa in München ist mächtig. Daimler sponserte die Koalitionsparteien allein 1993 mit 870.000 Mark Spenden. Zudem ließ sich die Deutsche Bank, Daimlers größter Einzelaktionär, den guten Kontakt 640.000 Deutsche Mark kosten.

Der kommende Daimler-Konzernchef und derzeitige Dasa-Vorstand Jürgen Schrempp weiß, daß die Fähigkeit zu militärischer Produktion und die Aussicht auf Gewinne nachhaltig vom Bonner Subventionstopf abhängt. Die Drohungen, angesichts der Dollar- Schwäche Dasa-Fabriken ins Ausland zu verlagern, bilden nur den Auftakt für das große Finanzierungsfinale pro Eurofighter & Co.

Jürgen Grässlin ist Sprecher der kritischen AktionärInnen Daimler- Benz. Heute erscheint sein Buch „Daimler-Benz. Der Konzern und seine Republik“ im Knaur-Verlag.