Rückzugsgefechte der Hardliner

Vor allem im Bonner Finanzministerium sitzen die Gegner einer ökologischen Energiesteuer / Doch die Spitzen der CDU denken allmählich um  ■ Von Annette Jensen und Felix Berth

Berlin (taz) – Die Betonköpfe der Regierung sitzen im Bundesfinanzministerium. „Eine ökologische Steuerreform führt zu unlösbaren Konflikten“, behauptet Staatssekretär Kurt Faltlhauser (CSU). Bei einer Diskussion von Daimler-Benz und dem Deutschen Verkehrsforum in Berlin zauberte er immer neue Argumente aus dem Hut: Steuern seien nun einmal zur Finanzierung des Staatshaushaltes da – wirksame Ökosteuern aber führten zu sinkenden Einnahmen, so daß ständig neue Besteuerungsobjekte gesucht werden müßten. „Das System wird noch komplizierter“, drohte der Bayer. Und außerdem werde das Bundesverfassungsgericht Einwände erheben. Ab 1997 aber wolle man immerhin punktuell Veränderungen mit ökologischer Komponente im Steuersystem vornehmen, kündigte Faltlhauser an.

Der Mann aus dem Hause Waigel steht nicht alleine da: Auch der Bund der deutschen Industrie (BDI) fährt offiziell einen massiven Ablehnungskurs. Obwohl es in der Industrie ebenso Gewinner wie Verlierer einer Energiesteuer geben würde, ist das Nein eindeutig. Kein Wunder: Die Branchen, für die eine Energiesteuer am teuersten käme – Chemie, Automobil und Energie – sind finanzstark und somit tonangebend. So schickte der BDI mit Wolfgang Ritter denn auch einen Mann aufs Podium, dessen Schreibtisch früher bei der BASF stand. „Das Ganze ist eine Quersubventionierung der Dienstleistungen durch die Industrie“, schimpfte er. 2,5 Millionen Arbeitsplätze seien unmittelbar gefährdet; wenn man die Zulieferer hinzurechne, kämen leicht 4,5 Millionen Arbeitslose zusammen. Helmut Werner, Vorstandsvorsitzender bei Mercedes-Benz, war dagegen äußerst konstruktiv: „Wir können uns mit einer Ökosteuer befreunden, wenn sie an anderer Stelle ausgeglichen wird.“ Genau das ist eine der Grundannahmen der Studie, die das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im letzten Jahr im Auftrag von Greenpeace erarbeitet hat: Die Sozialversicherungen sollen entsprechend billiger werden, so daß die Wirtschaft insgesamt keinen Pfennig dazubezahlt. „Wir haben mehr oder weniger alle Einwände beachtet“, sagte DIW-Chef Lutz Hoffmann. Die Vorschläge seien mit den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts kompatibel. Zwar würden tatsächlich in den Altindustrien Stahl und Grundstoffchemie viele Arbeitsplätze vernichtet; insgesamt aber rechnen die Berliner Forscher mit 500.000 zusätzlichen Jobs.

Nicht nur Umweltgruppen und Betriebe mit ökologischer Ausrichtung unterstützen den Vorschlag. Auch in der Spitze der CDU/CSU-Fraktion sind Energiesteuern inzwischen kein finanzpolitischer Alptraum mehr. So denkt Fraktionschef Wolfgang Schäuble immer wieder über deren Einführung nach, und sein Stellvertreter Hans Peter Repnik forderte gestern, auch einen „nationalen Alleingang nicht zum Tabu zu erklären“. Deutschland dürfe sich nicht auf Dauer hinter anderen Ländern verstecken. Allerdings haben selbst die Umweltpolitiker von CDU kaum Hoffnungen, daß ein Gesetz noch in dieser Legislaturperiode kommt. „Frühestens ab 1998“, lautet die Prognose mehrerer Fraktionsmitarbeiter – und sie verweisen auf den Widerstand im Finanzministerium.

Im Bonner Umweltministerium ist inzwischen eine Studie eingetroffen, die noch zu Zeiten von Klaus Töpfer beim Umweltbundesamt in Auftrag gegeben wurde. Dort werden nicht nur ökologisch kontraproduktive Steuern benannt – beispielsweise die verbilligte Mineralölsteuer für Traktoren.

Die Expertise macht auch Verbesserungsvorschläge fürs bestehende Steuersystem wie die Ersetzung der Kilometer- durch eine Entfernungspauschale. „Der große Wurf einer ökologischen Steuerreform ist demnach nicht machbar“, meint Franz-Josef Schafhausen, Leiter der Energieabteilung im Hause Merkel. Aber viele kleine Schritte seien möglich. Wenn nötig, müßten eben Steuern oder ordnungsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden. „Wir haben die Instrumente soweit entwickelt, daß sie schnell einsetzbar sind“, so Schafhausen.