Haiders Hetz-Offensive

Obmann der „Freiheitlichen“ startet Kampagne gegen „Linksterrorismus“ in Österreich  ■ von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) – Den 11. April dieses Jahres hat Jörg Haider im Kalender dick angestrichen. Seit diesem Tag ist in Österreich nicht mehr von Rechtsterrorismus die Rede. Vergessen sind die Briefbomben, vergessen die Sprengfalle, die im Februar in Oberwart vier Roma das Leben kostete, vergessen die Rohrbomben. Vorbei auch die Zeit, als sich Haider, Obmann der Bewegung „Die Freiheitlichen“ (F), gegen den Vorwurf wehren mußte, mit seinen radikalen Phrasen noch weit radikalere Taten herbeigeredet zu haben.

An jenem 11. April ereignete sich bei Ebergassing in Oberösterreich eine Bombenexplosion. Die Polizei fand am Tatort die verkohlten Leichen von zwei Mitgliedern der autonomen Szene. Ein Strommast sollte gesprengt werden, gab die Polizei bekannt. Dort hält man die beiden Toten für die Täter. Auch Fragen, warum die Leichen verbrannt sind, nicht jedoch deren Personalausweise, oder warum ein polizeibekannter Szene-Aktivist ausgerechnet in unmittelbarer Nähe der eigenen Wohnung einen Strommast in die Luft jagen sollte, lassen die Polizei nicht mehr an ihrer Version zweifeln.

Unmittelbar nach dem Anschlag reagierte Haider – und wetterte gegen „linke Wehrsportgruppen“ in Österreich, die auch für die Bombenanschläge der letzten Jahre verantwortlich seien. Absurde Vergleiche, meint Innenminister Caspar Einem. „Ebergassing war eine relativ unprofessionelle Sprengstoff-Panscherei. Die Bombe in Oberwart war außerordentlich professionell hergestellt.“

Am Dienstag letzter Woche intensivierte Haider seine Kampagne. Auf einer Pressekonferenz präsentierte er eine Grafik mit dem Titel „Das Netz – Wer sind die wahren geistigen Väter des Terrors?“. Um die mutmaßlichen Täter von Ebergassing herum gruppierte Haider SPÖ, KPÖ und die Grünen, Journalisten, Künstler und Rechtsanwälte. Namentlich beschuldigt werden unter anderen SPÖ-Kunstminister Rudolf Scholten, der News-Journalist Wolfgang Purtscheller und Wolfgang Neugebauer, Chef des „Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands“ (DÖW).

Gerade das DÖW ist dem populären F-Obmann schon lange ein Dorn im Auge, hatte es doch 1993 ein umfangreiches „Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus“ herausgegeben, auf dessen Cover ein Portrait von Haider prangte. Jetzt hat das DÖW im Auftrag der Staatspolizei aus der Interpretation der Bekennerbriefe der „Bajuwarischen Befreiungsarmee“ (BBA) für die Bombenanschläge in Stinatz und Oberwart ein Täterprofil entwickelt.

Das Ergebnis gefiel Haider gar nicht. Aufgrund der Diktion und dem Inhalt der Schreiben folgerte Neugebauer, daß das Bewußtsein des Verfassers geprägt sein müsse von „einer extrem deutschnationalen Einstellung“, die mit „antislowenischer Haltung“ korrespondiere. Ein „mit dem Täterprofil korrespondierendes Milieu sei im Umfeld der Zeitschrift Aula anzutreffen“. In dem von der „Arbeitsgemeinschaft freiheitlicher Akademikerverbände“ herausgegebenen Blatt, das regelmäßig roma- feindliche Artikel druckt, publiziert auch Haider. Und in der Aula fand Neugebauer auch einen unter Pseudonym abgefaßten Leserbrief, bei dessen Absender sogar eine „Identität mit dem Bekennerschreibenverfasser nicht ausgeschlossen werden“ könne.

Das Landesgericht Eisenstadt erwirkte daraufhin am 2. März einen Hausdurchsuchungsbefehl. Es müsse davon ausgegangen werden, „daß die Täterschaft in akademischen Kreisen, möglicherweise in einer Burschenschaft zu suchen ist, und diejenigen Personen Bezieher der Aula sind“.

„Nunmehr sind also Deutschnationale aus dem bürgerlichen Mittelstand das Ziel der Fahnder der Staatspolizei“, jammerte die Redaktion über die Beschlagnahme der Abonnentenkartei. Man beschimpfte in der Folge nicht nur „Nazijäger“ Neugebauer als „Berufsantifaschisten“, sondern auch den Journalisten Purtscheller als „Stinkefinger“. Auf Purtscheller hatte es auch Haider abgesehen: „Der befindet sich auf freiem Fuß, der unterrichtet unsere Kinder, da stimmt doch etwas nicht in diesem Land“, kritisierte er die Vortragstätigkeit des preisgekrönten Rechtsextremismus-Experten.

Nachdem am 6. April in Ried in Oberösterreich auf offener Straße der 37jährige Raimund Friedl durch einen Schuß mitten ins Herz getötet wurde, glaubt Purtscheller nun, daß ihm nach dem Leben getrachtet wird. Mordopfer Friedl hatte nicht nur eine frappierende Ähnlichkeit mit Purtscheller, sondern er hielt sich zur gleichen Zeit in der gleichen Kneipe wie dieser auf. Die Tat geschah zudem unmittelbar vor der Pension, in der Purtscheller abgestiegen war, direkt gegenüber dem Vereinslokal der Burschenschaft „Germania“. Alois Lissel, Leiter der Kriminalpolizeilichen Abteilung der Sicherheitsdirektion Oberösterreich, hält eine Verwechslung mit Purtscheller für möglich. Nach den bisherigen Ermittlungen glaubt er aber an einen Raubversuch. Wolfgang Purtscheller hat inzwischen Österreich verlassen.