■ Schüler zu Soldaten
: Sandkastenspiele

In ihrem Bemühen, jungen Menschen die muffige Drillichmontur als berufliche Perspektive anzudrehen, beschreiten die von Nachwuchssorgen gepeinigten Militärs immer eigenartigere Wege. Der neuste Clou der Bundeswehrmacht, noch unschuldige Abiturienten zum Spielen in die Kaserne zu locken, ja, sie sogar mit Helikoptern dorthin einzufliegen, zeigt, daß es um den Willen zur Heimatverteidigung schlecht bestellt ist. Vorbei sind die Zeiten, wo man mit Tränen der Rührung in den Augen zum Klang frivoler Marschmusik, den Bauch voll schwiemeliger „Wir-Gefühle“ den Fahneneid leistete. Eigentlich kein beklagenswerter Zustand, wenn junge Menschen nach vergeblicher Lehrstellensuche auch noch auf den Lockruf des Barras verzichten und lieber schnullebatzen und am Wannsee rumlungern. Lange genug hat es ja gedauert, bis Kurt Tucholskys Soldaten-sind-Mörder-Kampagne aufgegangen ist und gesellschaftsfähig wurde.

Um den wehrfähigen Menschen in die Uniform zu zwängen, tritt man neuerdings sogar für die Gleichberechtigung der Frau ein: „Man sollte Frauen nicht verbieten, sich an der Waffe ausbilden zu lassen, wenn sie diesen Dienst verrichten wollen“, verkündete vor einigen Tagen der FDP-Verteidigungsexperte Günther Nolting.

Nur, die wollen gar nicht. Aber wenn sich der Personalbedarf des Heeres gar nicht mehr anders decken läßt, wird den Militärs bald keine andere Möglichkeit bleiben, als im Kindergarten wildern zu gehen oder auf einen Brauch aus den Anfangszeiten der christlich- abendländischen Seefahrt, das Shanghaien von Personal, zurückzugreifen. Aber vorerst heißt es noch „POL&IS“ und ist freiwillig. Zumindest solange es noch Schulleiter gibt, die dem Militär freundlich gesonnen sind. Peter Lerch