■ Routinedemonstration zum 8. Mai
: Linkes Trauerspiel

Aber gewiß doch. So haben wir es gelernt, und so stand es jetzt wieder auf Flugblättern und Plakaten: Alles hängt mit allem zusammen. Der Militarismus mit dem Kapitalismus, der Kapitalismus mit der Arbeitslosigkeit, die Arbeitslosigkeit mit der Großmacht Deutschland, unter deren Waffen die Kurden leiden, weshalb ja auch Abschiebung Mord ist, und das ganze hängt – irgendwie – mit dem 8. Mai zusammen und ergibt am Ende ein – linkes Trauerspiel.

Mag sein, es war nicht die Linke, die am Sonntag zum Gedenken an das Kriegsende auf die Straße gezogen ist. Nur, eine andere war nicht zur Stelle. Und die Linke, die in den letzten Tagen demonstrierte, tat es wie gehabt. Mit Parolen, die sie zu jedem x-beliebigen Zeitpunkt vorkramt, mit Transparenten, die gleich mehrfach verwendbar sind. Was allzeit wahr ist, kann schließlich auch an diesem Tag so falsch nicht sein: „Deutschland – piss off“, „Freiheit für Kurdistan“, oder noch schlichter: „SPD“. Kein Nachdenken darüber, daß der 8. Mai ein Datum ist, das sich politischen Alltagsritualen entzieht. Keine Überlegung, daß ein besonderer Tag auch mit besonderen Formen gewürdigt sein will und nicht mit obligatem „Hoch!“ auf die „internationale Solidarität“.

Der Routinedemonstration folgte gestern die Routineempörung. Bündnis 90/Die Grünen protestierte gegen die „Provokation des friedlichen Gedenkmarsches“ durch die grüne „Schlägertruppe in Uniform“. Gewiß, die Polizei hat am Sonntag völlig unverhältnismäßig in die Menge geprügelt, um lächerlich kleiner kurdischer Fähnchen habhaft zu werden. Genauso gewiß ist aber, daß kurdische DemonstrantInnen bewußt provozierend ihre verbotenen PKK-Embleme vor der Polizeikette geschwenkt haben. Wenn es keine Frage ist, daß der Polizeieinsatz unangemessen war, so hätte man eine andere Frage doch gern beantwortet: Wie angemessen ist es eigentlich, daß linke Gruppierungen jeden, auch den unpassendsten Anlaß einzig dazu nutzen, um auf nichts anderes hinzuweisen als auf ihre eigene Politik? Vera Gaserow