Ohne Ecken und Kanten

■ Neu, modern und denkmalgeschützt: Der Titania-Palast wird wiedereröffnet / Eine prunkvolle Aufmachung war nicht möglich / Der Lichtturm ist Blickfang geblieben

Das hintere „A“ des Schriftzugs zittert noch, aber bald wird auch dieser Buchstabe freudig strahlen: Der Titania-Palast in Steglitz ist wieder aufgebaut; außen stilgetreu, innen mächtig verändert.

Wie bisher wird das denkmalgeschützte Gelb der Fassade an den verlorenen Ruhm erinnern. Als das zwischen den wilhelminischen Stuckbauten äußerst modernistisch anmutende Betongebäude im Jahr 1928 für repräsentative Uraufführungen die Pforten öffnete, sorgte vor allem die Reklame für Aufsehen. Die Architekten Schöffler, Schloenbach und Jacobi hatten einen 30 Meter hohen Lichtturm installiert, der die Schloßstraße bei Nacht erhellte – ein Konzept, daß die städtische Werbung nachhaltig prägte.

Eine geschwungene Innenausstattung ohne Ecken und Kanten, mit weinroten Sesseln und einem mit bunten Scheinwerfern angestrahlten goldenen Samtvorhang, veredelte dieses Lichtspielhaus, das es wagte, nicht wie die anderen Luxuskinos der Zwanziger am Kurfürstendamm zu stehen. Von Anfang an fand in dem fünftgrößten Kino mit rund 2.000 Plätzen auch das sonstige Steglitzer Kulturleben statt: Konzerte, Theater, Richard-Wagner-Gedächtnisfeiern.

Doch seine wirklich glorreiche Zeit begann erst nach dem Krieg. Weil der Titania-Palast ihn wie ein Wunder unbeschadet überstand, avancierte er zum wichtigsten nicht nur kulturellen Veranstaltungsort der Stadt. Der Widerstandskämpfer Leo Borchert dirigierte dort die Philharmoniker, das erste Sommersemester der FU Berlin wurde dort eingeweiht.

Bundeskanzler Adenauer provozierte bei seinem ersten Berlin- Besuch in diesem Gebäude einen Skandal, weil er so kurz nach ihrem Mißbrauch durch die Nazis die dritte Strophe des Deutschlandliedes singen ließ. Im Jahr 1951 fanden dort die Berliner Filmfestspiele statt, Josephine Baker, Zarah Leander, Louis Armstrong, Marlene Dietrich traten hier auf – bis der Kalte Krieg und der Aufbau von technisch perfekten Kongreßhäusern der glorreichen Zeit in den sechziger Jahren abrupt ein Ende setzte.

„Ich kann natürlich nicht den alten Titania-Palast wiederauferstehen lassen“, verteidigt Volker Nielsen von der „Gruppe Bau Art“ seinen Umbau. Den einst 2.700 Quadratmeter großen Raum teilen nun mehrere Wände in fünf kleinere Kinosäle. Was einst innen so prachtvoll war, ist heute nur noch angedeutet: Die Säulen und Balkone sind Dekor aus Holz. Früher waren hier echte Gänge. Dem Architekten kommt es vor allem auf die Bequemlichkeit der Zuschauer an. Der alte Filmpalast hatte nur eine sehr kleine Leinwand – sie ist heute sechsmal größer.

Eine prunkvolle Aufmachung war nicht möglich. Die amphibische Rampe mit Stufen von jeweils 30 Zentimeter Unterschied erlaubt auch den Kleinsten, über ihren Vordermann hinwegzublicken. Neben der modernsten technischen Ausrüstung in Bild und Ton (Breitwand, Dolby SR) zählt auch die Qualität der Plätze. Hatten die Kinobesucher rund 90 Zentimeter für sich, werden heute – mit Gängen und Foyer – rund drei Meter pro Person eingerechnet.

„Ich glaube, daß das Objekt seinen Weg findet. Steglitz schreit nach einem Kino-Center, das technisch so brillant für die modernen Unterhaltungsfilme ausgerüstet ist“, meint der Architekt zuversichtlich. Werden ältere Kinogänger diesmal auch aus Neugierde vielleicht doch noch mal einen Blick in den guten alten Titania- Palast werfen – sie erkennen ihn sicherlich nur von außen wieder.

Wie vor fast 70 Jahren sorgt allein der Lichtturm von außen für Aufsehen. Der Haupteingang befindet sich in der Nebenstraße, und der Schriftzug „Titania-Palast“ muß sich heute neben all den anderen Leuchtreklamen behaupten, die sich seit Jahrzehnten in dem zur Einkaufspassage gewandelten Gebäude angesammelt haben.

Das heutige Filmkonzept des ehemaligen Uraufführungskinos wird sich in nichts von dem der Kudammkinos unterscheiden. Arnold Schwarzenegger wird ebenso auf der Leinwand zu Gast sein wie der Bernhardiner „Beethoven“. Die Eintrittskarten sollen vorerst jedoch nur 13 Mark kosten. Der Titania-Palast soll am 24. Mai eröffnet werden. Anja Sieber