Tödliches Gold in Südafrika

Über hundert Bergarbeiter starben, als eine Lokomotive in den Schacht einer südafrikanischen Goldmine fiel und einen Förderkäfig mitriß / Gerüchte über gezielten Sabotageakt  ■ Aus Johannesburg Willi Germund

Es war ein Unfall, wie er eigentlich nicht passieren dürfte. Eine Grubenlokomotive fuhr samt einem Anhänger an allen Sicherheitsvorrichtungen vorbei und fiel in den 2.300 Meter tiefen Schacht des Vaal Reef Goldbergwerks in Orkney, etwa 150 Kilometer südwestlich von Südafrikas Wirtschaftsmetropole Johannesburg. Das tonnenschwere Ungetüm prallte beim Fall auf einen zweigeschossigen Förderkäfig voller Arbeiter und riß ihn in die Tiefe.

Das Ergebnis: eines der schwersten Unglücke in der Geschichte des Bergbaus. 106 Kumpel werden derzeit vermißt, sieben Leichen wurden darüber hinaus geborgen. Bei den meisten der Verschütteten handelt es sich laut dem Sprecher des das Bergwerk betreibenden Konzerns „Anglo-American“ um Wanderarbeiter aus Lesotho, Mosambik und Malawi. „Der Förderkäfig sieht aus wie eine zerdrückte Konservendose,“ sagte James Motlatsi, der Vorsitzende von Südafrikas Bergarbeitergewerkschaft NUM nach einem Besuch der Unglücksstätte, „überall liegen Fleischstücke von zerfetzten Arbeitern herum.“

50 Rettungsarbeiter versuchten, in dem Gewirr von Toten und verbogenem Metall Überlebende zu finden. Aber Dick Fischer, der Manager des Goldbergwerks, sah keinen Anlaß auf Hoffnung, daß jemand den 500 Meter tiefen Fall überlebt haben könnte: „Bedauerlicherweise ist fast ausgeschlossen, daß noch jemand lebt.“ Der Manager glaubt, daß die Lokomotive nicht nur einige Sicherheitsbarrieren durchbrach, sondern auch entgleiste, bevor sie in den Schacht fiel. Der Fahrer der Lokomotive rettete sich mit einem Sprung und liegt mit einem Schock im Krankenhaus. Er kann erst vernommen werden, wenn die Wirkung der Beruhigungmittel abgeklungen ist.

An der Johannesburger Börse kursierten Gerüchte, daß es sich bei der Tragödie um einen Sabotageakt gehandelt haben könnte. Vor einigen Wochen gab es in einem anderen Bergwerk massive Auseinandersetzungen zwischen Bergwerksarbeitern. Die Leitung schloß daraufhin die Mine, die ohnhin unrentabel geworden war.

Aber das Vaal Reef Bergwerk gilt als die zweitgrößte Goldmine Südafrikas. 1994 wurden dort knapp 71 Kilogramm Gold im Wert von 845 Millionen US-Dollar produziert. Durchschnittlich fallen pro Tonne Abraum in Südafrikas Goldbergwerken rund 5,4 Gramm Gold ab. Etwas weniger als die Hälfte der weltweit bekannten Goldvorräte werden in Südafrika vermutet. Allerdings liegt das Edelmetall sehr tief. Derzeit wird in bis zu 3.777 Metern Tiefe nach Gold gesucht. Ein neues Vorhaben des Anglo-American-Konzern sieht vor, Schächte bis auf 4.000 Meter in die Erde zu treiben.

Die schwierigen Abbaubedingungen sorgen auch dafür, daß die Arbeit in den Goldbergwerken Südafrikas äußerst gefährlich ist. 69.000 Kumpel starben zwischen 1911 und 1993 in südafrikanischen Bergwerken – eine Million wurden verletzt. Gewerkschaftsboß Motlatsi zögerte denn auch nicht, dem Bergwerkskonzern Versäumnisse vorzuwerfen. Seine Gewerkschaft fordert jetzt eine unabhängige und von internationalen Experten unterstützte Untersuchungskommission. Der Vorsitzende des Gewerkschaftsverbandes Cosatu, Sam Shilowa, schloß sich der Forderung an, ebenso Südafrikas Minister für Bodenschätze, der Weiße Roelof Botha.