Zurück in die Geburtsstadt

■ Erstklassige moderne Klassiker: Berlin bekommt doch die Sammlung Berggruen

Groß war die Enttäuschung vor vier Jahren, als der damals schon 76jährige Sammler der britischen Hauptstadt den Vorzug vor seiner Geburtsstadt Berlin gab: Die National Gallery in London solle die Hauptwerke seiner millionenschweren Sammlung bekommen, gab im Januar 1991 der in Genf und Paris residierende Kunsthändler und Freund Picassos, Heinz Berggruen, bekannt – zunächst als Leihgabe für fünf Jahre, aber eigentlich stehe einer „Verlängerung der Leihgabe nichts im Wege“.

Nun ist es doch anders gekommen: Dem Vernehmen nach hörte der Leihgeber im vielstimmigen Konzert der weltberühmten Meisterwerke des britischen Museums die Stimmen seiner eigenen nicht deutlich genug heraus, ging ihm der eigenständige Charakter seiner Sammlung verloren. Er werde „alles tun, um die Sammlung zusammenzuhalten“, hatte Berggruen immer wieder betont; Berlin griff mit entsprechenden Zusagen zu. Entsprechend stolz kann die neukonstituierte „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ deshalb nun verkünden, die legendäre Sammlung Berggruen werde 1997 nach Berlin kommen und dann zunächst für zehn Jahre im dafür umgebauten Stülerbau gegenüber dem Charlottenburger Schloß gezeigt.

Mehr als neunzig Werke umfaßt das Konvolut, das Berggruen in mehr als fünfzig Jahren zusammengetragen hat. Noch Ende der achtziger Jahre erwarb er für 24 Millionen US-Dollar über die New Yorker Acquavella Galleries Vincent van Goghs Hauptwerk „Le Jardin public d'Arles“ von der argentinischen Sammlerin Amalia Fortabat. Berggruen besitzt sieben Spätwerke von Paul Cézanne, darunter das „Portrait de Madame Cézanne“, eine „Montagne Sainte- Victoire“ und eine Vorstudie zu den „Kartenspielern“. Fast nie öffentlich ausgestellt, hingen in seiner Wohnung eine Version von Seurats „Les Poseuses“ neben Vorstudien zu seiner „Grande Jatte“ und zahlreichen Kohlezeichnungen des Neoimpressionisten, Werke von Joan Miró, Georges Braque und Paul Klee. Den Kern der Sammlung Berggruen bildet aber ein Konvolut von mehr als vierzig erstklassigen Arbeiten Picassos.

Den Spanier hatte Berggruen 1951 bei der Vorbereitung zu einer Tristan-Tzara-Ausstellung in seiner Pariser Galerie kennen- und schätzengelernt. Der deutsche Emigrant wurde bald Picassos Verleger und lebenslanger Freund. Entsprechend viele der zwischen 1902 und 1969 entstandenen Arbeiten aus allen Schaffensperioden sind Geschenke des Künstlers.

Über die Kosten für den Umbau des westlichen Stülerbaus mag man in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz noch keine Auskunft geben. Von einem zweistelligen Millionenbetrag ist hinter vorgehaltener Hand die Rede. Dafür betonen die stolzen neuen Eltern der prominenten Sammlung, daß mit der Berggruen-Leihgabe wesentliche Lücken in den Berliner Beständen geschlossen werden könnten. Gerade der Postimpressionismus und der Kubismus seien in den Museen der Hauptstadt bislang kaum vertreten. Von van Gogh etwa, der vor dem Krieg in zahlreichen Berliner Privatsammlungen wie Mendelssohn-Bartholdy, Siemens, Köhler, Gerstenberg, Fischer, Kallmann, Mauthner oder Stern mit insgesamt mehr als zwanzig Werken vertreten war, gibt es heute nur noch das zweitrangige und hinsichtlich seiner Echtheit bisweilen angezweifelte Pariser Gemälde „Le Moulin de la Galette“. Neben dem „Stadtpark von Arles“ kehrt nun auch eine Rohrfederzeichnung, die einst den Berliner Sammlern Paul Cassirer und J. Freund gehört hatte, mit der Sammlung Berggruen zurück – mindestens für zehn Jahre. Stefan Koldehoff