Die den Erfolg wollen, heulen sich anderswo aus

■ Mit dem 2:0-Finalsieg über Brauweiler bestätigt der FSV Frankfurt den Verdacht, dem Frauenfußball eine neue, rational-professionelle Qualität eröffnet zu haben

Pulheim (taz) – Die Liste der Ehrengäste aus DFB und Politik war länger als die Mannschaftsaufstellung. Wenn Wahlen sind und/ oder es was zu feiern gibt, sind sie eben alle da. Selbst ein leibhaftiger Bundesforschungsminister war zu diesem Frauenfußball-Endspiel angereist. Das schreckte die Frauschaft, die Meisterin werden sollte, weniger als die, die Meisterin werden wollte. Ein keineswegs nur semantischer Unterschied. Grün- Weiß Brauweiler, mit nur einer Niederlage Vorrundenmeister der Nordgruppe, stand in seinem dritten Endspiel seit 1992 und wollte jetzt endlich mal gewinnen. Der FSV Frankfurt war im Süden einen kleinen, aber entscheidenden Tick besser: Seit dem 19. September 1993 haben sie keinen Punkt mehr abgegeben, geschweige denn ein Spiel verloren.

Da kann von Wollen schon keine Rede mehr sein: „Alles andere als der Titel wäre ein Mißerfolg“, hatte Trainer Jürgen Strödter schon vorher angekündigt. Was soll er auch anderes sagen mit einem Team, in dem acht aktuelle und drei ehemalige Nationalspielerinnen stehen, und das mit seinem Offensivfußball eine neue Dimension im Frauenfußball aufgestoßen hat. Eine perfekt besetzte Mannschaft ist der FSV, vielleicht sogar die beste Europas. Doch diese Einschätzung zu rechtfertigen mußte jene alte Fußballregel erfüllt werden, nach der große Mannschaften auch große Titel holen. Dafür war der FSV angetreten in einem Spiel, das zum Duell heißes Herz gegen kühlen Kopf geriet.

Das begann schon bei der Nationalhymne. Brauweiler faßte sich emotional an den Händen, das Frankfurter Ensemble der Solistinnen hatte die Hände auf dem Rücken. Konzentration auf das Wesentliche. Das setzte sich nach dem Anpfiff fort. Während Brauweiler noch mit den selbstentfachten Emotionen kämpfte, hatte der FSV schon nach drei Minuten drei Torchancen. Die dritte saß. Gaby König köpfte eine Vorlage an den langen Pfosten, dort mußte Katja Bornschein den Ball nur noch einschieben.

Grün-Weiß Trainer Friedhelm Fröhlich faßte sich an den Kopf. Gemäß einer Wette hätte er sich nämlich bei einem Sieg seiner Mannschaft kahl scheren müssen. Doch schon nach 16 Minuten hatte er die Gewißheit, ungeschoren davon zu kommen. Der FSV führte 2 : 0. Der Frankfurter Sturm mit den beiden 17jährigen Birgit Prinz und Sandra Smisek hatte unter Zuhilfenahme der Teamältesten Daniela Stumpf die Entscheidung besorgt. Libera Anouschka Bernhard registrierte befriedigt, „daß Brauweiler in dieser Phase gar nicht wußte, wo der Ball ist“. An sich nichts Neues für Gegner des FSV, beim Nordmeister überraschte das schon etwa.

Aber Brauweiler hatte in dieser Saison auch noch nie mit zwei Toren zurückgelegen, und damit wurde das Team nicht mehr fertig. Lediglich Bettina Wiegmann und Gudrun Gottschlich versuchten sich gegen die Niederlage zu stemmen, und das war zu wenig. So kam Katja Kraus, mitunter schon als „einsamste Torfrau Deutschlands“ bezeichnet, auch in diesem Endspiel nur selten in den Genuß von Publikumsverkehr. Zwei gute Paraden in den Schlußminuten, das war's.

Doch was ist das Geheimnis dieses FSV Frankfurt, dessen Nimbus der Unbesiegbarkeit inzwischen die Gegnerinnen tatsächlich einschüchtert? Schließlich machen elf begabte Solistinnen kein Orchester. Elf Freundinnen aber auch kein Team. „Mit zuviel Harmonie steigst du in die C-Klasse ab“, sagt Monika Koch-Emsermann, die ehemalige Trainerin. „Wir wollen Erfolg haben“, stellt Dagmar Pohlmann klar, „die absolut Besten sein. Das zählt. Ausheulen kann ich mich woanders.“ Das klingt rational, kalkuliert. Aber so ist es nicht. Geld verdienen könnte jede von ihnen woanders mehr, die Konkurrenz überbietet sich regelrecht. Kein Thema. Die wenigen, die einmal dem Ruf des Geldes gefolgt sind, kamen alle wieder zurück. Selbst groß einkaufen geht der FSV auch nicht. 90 Prozent der Spielerinnen kommen aus dem Rhein-Main-Gebiet. Sie gehen ihre eigenen Wege und sind doch eine verschworene Gemeinschaft. Vielleicht ist es dieses Sowohl-als- auch statt des üblichen Entweder- oder, das den Unterschied ausmacht. Bei einem Durchschnittsalter von 23 Jahren kann das noch eine ganze Weile funktionieren. Das nächste Mal voraussichtlich am 24. Juni beim Pokalfinale in Berlin. Gegner Siegen, einst selbst ein Mythos, bibbert bereits. Matthias Kittmann