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: Dienst nach Vorschrift

„Erloschene Lust“, Sonntag, 20.15 Uhr, Hessen 3

Ist der Gedanke allzu abwegig, daß ein Feature mit dem Titel „Erloschene Lust“ nicht wenigstens filmisch Lust bereiten sollte? Zumal in den dritten Programmen noch ein gewisser Freiraum besteht, andere Ausdrucksformen zu erproben? Doch Jutta Hartmanns Dokumentation über Frigidität erweckte von Anfang an einen nachgerade beamtenhaften Eindruck. Informationen wurden vermittelt nach dem Prinzip „Dienst nach Vorschrift“: Gespräch mit betroffenen Frauen, optisch verfremdet, versteht sich. Im Anschluß jeweils ein Interview mit Fachleuten, gefolgt von dem Rat, sich an selbige zu wenden: Reden Sie mit einem „fachkundigen Therapeuten“.

Und schließlich in jenem Acht- bis Zwölf-Minuten-Rhythmus, in dem bei den Privaten die Unterbrecherwerbung folgt, tauchten in „Erloschene Lust“ die unvermeidlichen Brandungsbilder auf. Es ist, als ob alle Dokumentaristen bei derartigen Themen von einer geheimen Macht hypnotisiert würden: Geht es ums Gefühl, dann – so scheint's – müssen einfach Strand, Brandung und Wellen her.

Die formelle Biederkeit dieses Films ging einher mit einer recht traditionalistischen Herangehensweise an das Thema. Dieses gutgläubige sich Abarbeiten an Fachtermini nervt: Was heißt hier „Plateauphase“? Am problematischsten jedoch war, daß die Kernaussage, Frigidität sei nicht einfach eine weibliche Funktionsstörung, durch den Aufbau des Films formal konterkarriert wurde: Geredet wurde nämlich nur mit Frauen. Will man filmisch rüberbringen, Frauen mögen doch aus der Käseglocke falschen Schuldbewußtseins heraustreten, so geht es nicht an, mal eben auf der Straße zwei, drei Männer das Mikro unter die Nase halten: „Wie wichtig ist Ihnen der Orgasmus?“ Da ist doch jeder „Schulmädchenreport“ erkenntnisreicher.

Ein Hauch von volkstümlichem Surrealismus hatte die Aufklärung über die weibliche Erregungsphase am gezeichneten Schaubild aus dem Biologiebuch. Da wurden Erinnerungen an den seinerzeit vom Bundesministerium für Bildung gesponsorten Aufklärungsfilm „Helga“ wach ... Zur wahren Ursache für den Lust-Verlust drang dieser Film aber auch damit nicht vor: Zahlreiche Frauen lesen nämlich die falsche Frauenzeitschrift. Eine gute Freundin nannte mir eine davon: „Frigitte“. Manfred Riepe